„Stand jetzt ein Nischenprodukt“
Neuartige Anlagen für Freiflächen-Photovoltaik – Möglichkeiten und Grenzen.
Schwäbisch Gmünd. Mehr Photovoltaik in der Landschaft gleich weniger Flächen für die Landwirte? Die Gleichung muss nicht stimmen, das zeigen Anlagen, die es schon in Deutschland gibt: senkrecht stehende Solarmodule oder welche, die so hoch montiert sind, dass darunter weiter Landwirtschaft möglich ist. Ist das auch eine Option für Gmünd auf den rund 126 Hektar Fläche, die die Stadt Gmünd auf ihrem Gebiet für Freiflächen-Photovoltaik tauglich befindet?
„Es gibt einen Leitfaden vom Fraunhofer-Institut, und auch das Bundeslandwirtschaftsministerium spricht sich dafür aus“, sagt Andreas Benk. Der Linken-Stadtrat hatte die Technik im Bauausschuss des Gmünder Gemeinderats zum Thema gemacht. Es sei bereits „Realität in Deutschland“. „Und es ist damit zu rechnen, dass sich das weiterentwickeln wird.“
Es gibt sogar schon einen neuen Fachbegriff: Agri-Photovoltaik. Eine solche Anlage, die Stromerzeugung und Landwirtschaft gleichzeitig möglich macht, steht seit zwei Jahren in Donaueschingen. Es war die erste ihrer Art in Deutschland, Ministerpräsident Winfried Kretschmann war persönlich bei der Eröffnung dabei.
Durchgesetzt hat sich die Technik noch nicht. „Eine solche Anlage wie in Donaueschingen ist auch in Gmünd möglich, aber die Investitionskosten sind deutlich höher als bei klassischer Freiflächen-PV“, sagt Steffen König, Marketingleiter der Stadtwerke. Es sei letztlich eine wirtschaftliche Entscheidung des Eigentümers der Fläche. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Versicherung. „Wird wegen der landwirtschaftlichen Nutzung auf eine Umzäunung verzichtet, dann bedeutet das höhere Versicherungskosten.“ Denn Module und Wechselrichter würden „aktuell wieder gerne gestohlen“, sagt König.
Auf der Habenseite der Agri-Photovoltaik steht der landwirtschaftliche Ertrag. Dazu kommt noch, dass die senkrechten Module mehr Strom morgens und abends erzeugen und weniger in den Mittagsstunden, wenn die allermeisten Solaranlagen ihre Spitzenleistung abliefern. Ein klarer Vorzug, sagt König. Die Stadtwerke hätten sogar schon eine vergleichbare Anlage: „Beim Lager der Stadtwerke haben wir eine senkrecht montierte PV-Anlage und entsprechend Betriebserfahrungen.“
Neben Anlagen mit senkrecht stehenden Modulen, gibt es auch so genannte aufgeständerte Lösungen. Wobei die nicht für jede Anbauart gleich geeignet sind: „Im Bereich Sonderkulturen, zum Beispiel Äpfel am Bodensee, funktioniert das gut“, sagt Gerhard Hackner, Leiter des Amts für Stadtentwicklung, der die Gmünder Flächenanalyse vorgestellt hat. Beim Obstanbau hat die zunächst teurere Technik weiteren Zusatznutzen. „Die Module dienen als Hagel-, Sonnen-, Frost- und Verdunstungsschutz“, sagt König. Dennoch: „Stand heute ist es unserer Einschätzung nach ein Nischenprodukt.“ Und in Gmünd seien ja „keine relevanten Sonderkulturen vorhanden“.
Ganz ohne Nutzung müssen aber auch klassische Freiflächen-PV-Anlagen nicht bleiben. Steffen König: „Beim Solarpark Mutlanger Heide mähen die Schafe persönlich, da braucht es keinen Traktor, der zusätzlich CO2-Emissionen verursacht.“ ⋌Bernd Müller
PV-Anlagen auf Bundes- und Landesstraßen
Die Stadtwerke setzen auf Flächen an Verkehrswegen. Steffen König: „Gemeinsam haben sich die Stadtwerke Weinstadt, Schorndorf und Gmünd für Projektflächen entlang der B29 beim Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg beworben.“
Copyright Gmünder Tagespost, 24.11.2022