Schwerzerallee als Fahrradstraße?
Aus der heutigen Rems Zeitung: Mobilität: Die Ankündigung der Stadtverwaltung, dass sich eine Fahrradstraße in der Schwerzerallee in Gmünd wegen der räumlichen Verhältnisse wohl nicht realisieren lassen wird, ist bei Protagonisten des Fahrrads als Verkehrsmittel im Alltag auf Widerspruch gestoßen.
SCHWÄBISCH GMÜND. Das Argument von Oberbürgermeister Richard Arnold im Weststadtforum: Der Platz reicht nicht, um die Schwerzerallee zur Fahrradstraße zu machen und gleichzeitig noch dem Bedarf an Anwohnerparkplätzen gerecht zu werden. „Wo sollen denn dann die ganzen Autos hin?“, warb der OB um Verständnis und bekam dafür durchaus Zuspruch von
den Anwesenden. Es gab jedoch auch Kritik – zum Beispiel dahingehend, dass es in Deutschland kein Gesetz gebe, das einem Anwohner das Recht auf öffentliche Parkplätze zusichert. Auch von Personen und Gruppierungen, die das Fahrrad als ideales Verkehrsmittel für die Innenstadt favorisieren, kam inzwischen Gegenwind.
Scharf kritisiert zum Beispiel die Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/Die Grünen die Vorgehensweise der Stadt Schwäbisch Gmünd in Sachen Fahrradstraßen. Die Rede ist von einem „Tiefpunkt bei der Umsetzung einer nachhaltigen Mobilitätsentwicklung in der Stadt.“ Seit vielen
Jahren werde über Maßnahmen diskutiert, etwas in Aussicht gestellt und dann verzögert oder zurückgezogen, stellt Fraktionssprecher Gabriel Baum fest. „Die Wohnbauentwicklung in den Fehrlegärten, der Brücke und dem Römerkastell fußte unter anderem darauf, dass die Radwege in die Innenstadt weiter verbessert und ausgebaut werden, zum Beispiel durch die Fahrradstraße in der Schwerzerallee“, macht Thomas Krieg deutlich. Grünen Stadtrat Karl Miller sagte: „Die Stadtspitze
scheint nicht imstande zu sein, ein Gesamtkonzept für Fahrradstraßen quer durch Gmünd zu vertreten“. Aber nur mit einem Gesamtkonzept werde der Kfz-Verkehr reduziert, könne man Staus minimieren und es schaffe es, mehr Leute davon überzeugt werden, dass ein sichereres Radfahren in Gmünd möglich ist, so Miller.
In die gleiche Kerbe schlägt auch söl-Stadtrat und Critical-Mass-Protagonist Sebastian Fritz. „Die Haltung des Oberbürgermeisters beim Weststadtforum ist eine Bankrotterklärung. Er belegt damit seine völlige Unkenntnis dessen, was für eine sinnvolle Radinfrastruktur notwendig wäre.“ Darüber hinaus moniert auch Fritz, dass sich die Stadtverwaltung in dieser Hinsicht nicht an die vom Gemeinderat beschlossenen und an die von der Verwaltung erst im Frühjahr zugesagten Planungen halte. Leider, so Stadtrat Fritz weiter, seien in diese Kehrtwende in Sachen Schwerzerallee auch jene Gremien nicht einbezogen worden, „die sich seit Jahren ehrenamtlich mit der Fortentwicklung der Radinfrastruktur beschäftigen.“ Ähnlich wie die Grünen/Bündnis 90-Fraktion weist auch Fritz darauf hin, dass die Wohnbauentwicklung mit einem niedrigen Stellplatzschlüssel im Bereich Fehrlegärten, Brücke und Römerkastell damit begründet wurde, dass ja der Radverkehr unter anderem mit der Fahrradstraße Schwerzerallee ausgebaut werden soll.
Eine verstärkte Einbindung der Bürgerschaft sowie der örtlichen Wirtschaft und die Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse wünscht man sich in diesem
Zusammenhang beim Gmünder Arbeitskreis Verkehr. Bei der Schwerzerallee sei dies leider nicht der Fall gewesen, bedauert Arbeitskreis-Sprecher Andrzej Sielicki. Dabei sei doch die Förderung des Radverkehrs als zentrales Element einer integrierten, umfassenden Stadtentwicklungs- und
Mobilitätsplanung essentiell, betont Sielicki, der als studierter Verkehrsexperte auch berulich mit diesem Fragen zu tun hat. Aus seiner Sicht hemmt die mangelhafte Radinfrastruktur in Schwäbisch Gmünd die Bereitschaft der Gmünderinnen und Gmünder, auf das umweltfreundliche Fahrrad umzusteigen. Nur neun Prozent aller Wege werden laut Sielicki derzeit in Gmünd mit dem Fahrrad zurück gelegt, obwohl Radfahren oft heute schon in der Innenstadt die schnellere Variante sei und
zur Reduzierung von Staus beitrage. „Eine Fahrradstraße wäre eine Maßnahme der integrierten Gesamtstrategie, die Schwäbisch Gmünd als nachhaltig mobile und lebenswerte Stadt benötigt.“ Auto- wie Radfahrer seien in einer Fahrradstraße gleichberechtigt – was die Verkehrssicherheit in Verbindung mit einem Tempo-Limit steigere. „Das finde ich positiv, insbesondere wenn die Schwerzerallee als eine Ausweichalternative zur Goethestraße gilt“.
Der Hauberweg, den der Sprecher des Arbeitskreises selbst häufig beim Radfahren benutzt, habe nicht die Verbindungsfunktion und Qualität, um als Alternative zur Schwerzerallee benutzt zu werden. Einer Verbreiterung stehe im Weg, dass die dafür nötigen Grundstücke nicht zur Verfügung stehen.
Die von Fehrle-Kita-Leiterin Silvia Breitweg geschilderte Situation, dass viele Eltern Kurzzeitplätze brauchen, um ihre Kinder zu bringen oder abzuholen, kontert Sielicki mit einem eigenen Erfahrungsbericht. Er bringe seinen zweijährigen Sohn von der Schmiedgasse entweder mit dem Rad oder mit dem Bus in den evangelischen Kindergarten „Brücke“ bei der Stauferschule in der Weststadt. Die Buslinie, die er benutze, halte dabei auch direkt bei der neuen Kindertagesstätte im Fehrle-Areal. Hinsichtlich der Breite kontern Andrzej Sielicki, Henning Diederichs und Bettina Winter-Schulligen, dass sie dort nachgemessen haben. Neben einem geparkten Wohnmobil habe sei eine Fahrbahnbreite von vier Metern geblieben. Es würden auch
nicht bis zu 40 Parkplätze wegfallen sondern höchstens 26, so der Arbeitskreis.
Im Zusammenhang mit der geänderten städtischen Strategie für die Schwerzerallee sprach die Rems-Zeitung auch mit dem Gmünder Alltagsradler-Pionier Rainer Aichele. „Wer legt eigentlich fest, welche Breite eine Fahrgasse für den Radverkehr in einer Fahrradstraße verpflichtend beziehungsweise fördermittelgerecht haben muss? Ich habe dazu in den Musterlösungen von Baden-Württemberg und Hessen sowie im Leitfaden des Deutschen Instituts für Urbanistik (DiFU) die Maße für Regelbreiten zwischen 3,50 und 4,50 Metern gefunden.“ Für den Parkstreifen werden
laut Aichele mal 2,00, mal 2,10 Meter, für den Sicherheitsstreifen mal 0,50, mal 0,75 Meter genannt. „Fakt aus meiner Sicht ist, wenn man eine Fahrradstraße will, dann geht das auch; wenn man sie nicht will beziehungsweise vor den Parkplatz-Wünschen von Anwohnern kneifen will, dann nimmt man diejenigen Maße, die eine Fahrradstraße verhindern“, hat der pensionierte Polizeihauptkommissar und frühere Stadtrat eine sehr deutliche Position. Als Beispiele, dass die Ausweisung von Fahrradstraßen bei Platzverhältnissen wie in der Gmünder Schwerzerallee offensichtlich machbar wäre, nennt Rainer Aichele die Ulmer Zeitblomstraße und die Esslinger Hindenburgstraße, die „als vorbildliche Fahrradstraßen in verschiedenen Veröffentlichungen genannt werden“. Rainer Aichele ist unisono mit den genannten Mitgliedern des Gemeinderats sowie mit dem Agenda-Arbeitskreis Mobilität der Meinung, dass sich alle Beteiligten in Sachen Fahrradstraße an einen Tisch setzen und gemeinsam nach einer guten Lösung suchen sollten und schlägt als Forum dafür eine fraktionsübergreifende Arbeitsgemeinschaft vor.
Copyright Rems Zeitung, 02.04.2024