Eine faire Arbeitswelt – das fordern Gewerkschaften traditionell bei ihren Kundgebungen zum Tag der Arbeit. Weil die Maikundgebungen in diesem Jahr wegen der Coronakrise ausfielen, hatte die IG Metall Aalen zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, die live ins Internet übertragen wurde. Im Mittelpunkt standen die Umbrüche der Wirtschaft und der Weg zu Industrie 4.0, Globalisierung und Strukturwandel. Am Beispiel der von Stellenabbau bedrohten Bosch AS in Schwäbisch Gmünd forderten die Teilnehmer, die Beschäftigten über Qualifikation, Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte zu entscheidenden Akteuren in diesem Prozess zu machen.
Hüseyin Ekinci, Betriebsrat bei Bosch AS, beschönigte die Lage bei dem Zulieferer nicht, der am Standort Gmünd bis zum Jahr 2026 die Belegschaft um 2500 Personen auf die Hälfte reduzieren will: „Die Stimmung ist sehr angespannt“, sagte er und fügte an: „Wir sind ja schon seit vier Jahren im Dauerkampf.“ Geplant ist, die Produktion am Standort Maklar in Ungarn massiv auszubauen: Die IG Metall kritisiert Bosch als Stiftungsunternehmen für diese Verlagerung in ein sogenanntes Niedriglohnland.
Für die Reutlinger Linke-Bundestagsabgeordnete und Diskussionsteilnehmerin Jessica Tatti, geht die Rechnung, Gmünd als reinen Entwicklungssstandort zu erhalten, nicht auf: „Wenn man die Prozessqualität über Forschung verbessern will, braucht man auch Produktion“, warf sie ein.
Dieser Meinung ist auch die IG Metall, deren Erster Bevollmächtigter Roland Hamm ein eigenes Zielbild für Bosch AS in Gmünd skizzierte. Der Standort, so Hamm, habe nur Zukunft, wenn ein relevanter Teil der Produktion erhalten bleibe. Die Erfahrung in anderen Unternehmen habe gezeigt: „Ist die Produktion erst mal weg, dann wird in sieben, acht Jahren auch die Entwicklung wegfallen.“ Der Gewerkschafter plädierte deshalb bei den Produktionsneuanläufen für eine „faire Aufteilung“ zwischen den Standorten Gmünd und Maklar.
Die Aalener Gewerkschaftssekretärin Andrea Sicker, die vorher für die IG Metall einen Bosch-Betrieb im bayerischen Schweinfurt betreut hatte, berichtete von Stellenabbau am dortigen Standort: „Später ist das entlassende Personal durch befristet eingestelltes Personal ersetzt worden.“
Befürchtung: Bosch könnte Logistik outsourcen
Die Herausforderung bestehen wir nur, wenn wir dem Markt nicht das Feld überlassen.
Zwar werde bei Bosch AS in Gmünd in den Logistikbereich investiert, ergänzte Roland Hamm: „Es ist aber zu befürchten, dass dieser Bereich outgesourct wird, und sich damit die Bedingungen für die Arbeitnehmer verschlechtern.“
„Die Herausforderung bestehen wir nur, wenn wir dem Markt nicht das Feld überlassen“, sagte Hamm über den aktuellen Strukturwandel. Es gelte vielmehr, die Beschäftigten aktiv an den Veränderungen zu beteiligen. Während die Coronakrise derzeit genutzt werde, „das Rad bei den Arbeitnehmerrechten zurückzudrehen“, gelte es stattdessen, die Arbeitnehmer über Qualifizierung, Rechte und Mitbestimmung zu einem Teil dieses Wandels zu machen.
Bosch-Betriebsrat Hüseyin Ekinci plädierte für die politisch diskutierte Einführung eines Transformations-Kurzarbeitergeldes: Hier könnte die digitale und zukunftsgerichtete Weiterqualifizierung von Beschäftigten mit staatlich geförderter Kurzarbeit verbunden werden.
In Zeiten wie dieser, in denen staatliche Unterstützungen gezahlt würden, dürften die Unternehmen nicht nur keine Dividenden zahlen, sondern es müssten auch Standortverlagerungen und Massenentlassungen ausgeschlossen werden, merkte Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti an: „Es geht nicht, dass man Geld von den Steuerzahlern nimmt, die man im nächsten Atemzug entlässt.“
Der Moderator der Runde, IG-Metall-Jugendsekretär Alexander Relea-Linder, präsentierte den Teilnehmern Fragen aus dem Onlineforum: „Warum gibt es in Deutschland keine Maschinen- oder KI-Steuer?“, lautete eine. Linke-Politikerin Tatti sagte dazu: „In jedem Fall ist eine Digitalsteuer nötig.“ Konzerne wie Google und Facebook verdienten in Deutschland viel Geld, zahlten aber keine Steuer: Das müsse sich ändern.