Am Ende haben sie das Sagen: Die meisten Gmünder Stadträte haben sich noch nicht entschieden, ob sie für oder gegen ein Amazon-Verteilzentrum im Benzfeld sind. Es gibt in den Fraktionen aber Tendenzen. Ein Stimmungsbericht.
„Flächenverbrauch, Arbeitsplätze, Verkehr und weitere Fragen sind wesentlich, um das Projekt zu bewerten“, sagt CDU-Sprecher Alfred Baumhauer. Diese Kriterien seien der CDU berits im Dezember bei der ersten Entscheidung wichtig gewesen. Daran habe sich nichts geändert. Deshalb wollte die CDU zuerst „eine konkrete Planung“, um dann zu entscheiden. Und „nicht umgekehrt“. Nun sei Amazon klarer und im Vergleich zu ersten Skizzen auch „deutlich moderater“, sagt Baumhauer. „Bislang nicht klar“ seien die Auswirkungen der Ansiedlung in Heidenheim. „Wir stehen Gesprächen mit Investoren grundsätzlich offen gegenüber“, sagt der CDU-Sprecher. Er wünscht sich für die Debatte „mehr Sachlichkeit und einen Blick auf das konkrete Vorhaben“. Die Vielzahl der Argumente zeige, dass eine „vernünftige Bewertung nicht simpel, sondern vielschichtig ist“. Die CDU-Fraktion werde entscheiden, wenn die Pläne vorlägen.
Grüne: Verkehr wird zunehmen
Die Ansiedlung eines Verteilzentrum der Firma Amazon sei Ausdruck einer „Entwicklung zum Online-Handel hin“, sagt Grünen-Sprecher Gabriel Baum. Darüber werde nicht in Gmünd entschieden. Doch die Entwicklung habe Auswirkungen auf Gmünd und sein Umland. Gegen eine Ansiedlung spricht laut Baum, dass andere Lieferunternehmen wie DHL oder Hermes verdrängt würden und so Arbeitsplätze wegfielen. Baum geht davon aus, dass „nur wenige im örtlichen Handel in diesem Wettbewerb auf Dauer mithalten können“. Die Folge seien noch weniger attraktive Läden in der Innenstadt. Der Verkehr werde zunehmen, sagt Baum weiter. Die Jobs seien „weitestgehend im Niedriglohnsektor angesiedelt“. Der dadurch für die Stadt entstehende Anteil an Einkommensteuer sei „eher gering“, als „sehr gering“ bezeichnet Baum die Gewerbesteuereinnahmen. Dies sei ein Nachteil für die Stadt, die „für die Infrastruktur auch für Amazon garantieren muss“. Für Amazon spreche, „dass auch gering bezahlte und prekäre Beschäftigungsverhältnisse Arbeitsplätze“ seien. Mit dem Logistikzentrum in Heidenheim nehme die Liefergeschwindigkeit zu, sagt Baum. Auch deshalb sei Amazon für die meisten Händler in Gmünd eine Gefahr. Baum geht davon aus, dass auch der Lebensmittelhandel durch Amazon „zunehmend unter Druck“ kommt, bei der Gastronomie sieht er dies nicht direkt.
Stadträte müssen abwägen
Für Amazon sprächen etwa 120 neue Arbeitsplätze, sagt Dr. Uwe Beck (SPD). Die Kehrseite: „hoher Flächenverbrauch, niedrige Löhne, zusätzlicher Verkehr“. Dazu kommt für die SPD, dass Amazon „keine betriebsinterne Kultur der Mitbestimmung“ habe. Amazon dränge als „weltbeherrschendes Unternehmen auf den Markt“ und bekomme „in Kommunikation, IT und Künstliche Intelligenz (KI) eine Macht, die für die Demokratie gefährlich werden kann bzw. schon gefährlich geworden ist“. Deshalb müsse jeder Stadtrat abwägen und eine Gewissensentscheidung treffen. Zum Handel sagt die SPD, dass die Innenstadt-Geschäfte jetzt schon ums Überleben kämpften. Eine Ansiedlung von Amazon verschärfe ihre Situation. Die Geschäfte stünden vor einem Strukturwandel, „den sie selbst herbeiführen müssen mit Unterstützung von Stadt und Politik“.
Am Ende eine politische Entscheidung des Gemeinderates.
Die Linke-Fraktion werde ein Verteilzentrum im Benzfeld ablehnen, sagt Linke-Sprecher Sebastian Fritz. Die Entscheidung basiert auf der Besichtigungsfahrt nach Pforzheim und vielen Gesprächen mit Händlern, Gastronomen und Bürgern. Die Linke sieht mit Amazon mehr Verkehr, weniger Jobs im Verhältnis zur bebauten Fläche und „die große Sorge vor den Auswirkungen eines Verteilzentrums auf den Einzelhandel und durch Amazon Fresh auf Gastronomie und Lebensmittelhändler“. Die Linke hätte sich gewünscht, die Energie für die erneute Amazon-Diskussion in eine „regionale Stärkung des Einzelhandels und der Gastronomie nach der Corona-Pandemie“ zu investieren.
Bürgerliste hat Bedenken
Noch nicht entschieden ist die Fraktion Bürgerliste. Er verstehe, dass der Handel bremse, sagt BL-Sprecher Ullrich Dombrowski. Er habe aber Bedenken, ob das der richtige Weg sei. „Kann man verhindern, indem man verweigert?“, formuliert Dombrowski als Schlüsselfrage. Die Fraktion werde sich mit den Fragen des Verkehrs, der Jobs, aber auch der der Folgeaufträge für örtliche Unternehmen befassen, sagt der BL-Sprecher.
Sie teile die Befürchtungen des Handels, dass es in der Innenstadt noch mehr Leerstände gebe, sagt Karin Rauscher (FWF). Andererseits habe gerade die Corona-Krise gezeigt, dass sich das Einkaufsverhalten verändere. Gehe dies so weiter, könne man Amazon nicht verhindern, sagt Rauscher, deren Fraktion sich noch nicht abgestimmt hat.
Die FDP/FW-Stadträte sind Amazon gegenüber „offen“. „Hauptargument ist die Gewinnung von Arbeitsplätzen, gerade im geringqualifizierten Bereich“, sagt Dr. Peter Vatheuer. Auswirkungen auf den Einzelhandel seien nicht zu befürchten. „Online bestellte Ware findet so oder so ihren Weg zum Kunden“. Der Einzelhandel, sagt Vatheuer, brauche andere Strategien.
Wie’s weiter geht: Die Gmünder Stadtverwaltung rechnet damit, dass der im Auftrag von Amazon arbeitende Projektentwickler im Herbst bei der Gmünder Stadtverwaltung Interesse am Standort Benzfeld bekunden wird. Der Stadt sei es wichtig, dass „offen und ohne Scheuklappen“ diskutiert werde über Fragen wie Arbeitsplätze, Gewerbesteuer oder Verkehr, sagt Stadtsprecher Markus Herrmann. Am Ende sei die Entscheidung über eine Ansiedlung eines Amazon-Verteilzentrums eine politische Entscheidung des Gemeinderates.