„Das ist ein Skandal“
Stadträte äußern sich scharf zu den gestiegenen Kosten derRemstalgartenschau / 866000 Euro mehr als geplant
Im Herbst 2019 hat der Gemeinderat 975 000 Euro zusätzlich für die Rems-talgartenschau bewilligt. Allerdings mit Bitte auf eine Herleitung der gestiegenen Kosten. Nach gut einem Jahr wurde diese nun vorgestellt. Die Stadträte zeigten sich entsetzt. Der vierte Tagesordnungspunkt der jüngsten Gemeinderatssitzung nahm etwa zwei Stunden in Anspruch. Das war nicht verwunderlich, denn die Räte hatten lange auf diesen Punkt gewartet. Ein gutes Jahr. Es ging um die Mehrkosten der Remstalgartenschau. Um eine Nachzahlung von 975 000 Euro wurde der Gemeinderat im Oktober 2019 gebeten. Der Rat hatte zugestimmt, allerdings stellte die Linken-Fraktion den Antrag aufzuklären, wie es zu dieser Summe kommen konnte. Fast 13 Monate später stellte Michael Schaumann, der das zuständige Rechnungsprüfungsamt leitet, gestern das Ergebnis vor. Richtiger: die Erkenntnisse, die er in dem Jahr gewinnen konnte. Denn es habe nur mangelhafte Unterlagen gegeben, so Schaumann. Daher könne kein abschließender Bericht erfolgen. Eine Kostendeckelung von 2,5 Millionen sei zwar im Gemeinderat gefordert, aber nicht als Beschluss gefasst worden. „Ein projektbegleitendes Controlling hätte frühzeitig feststellen können, dass die geplanten Ansätze nicht ausreichten. Sollten sich Kosten erhöhen, hätte das zeitnah im Gemeinderat berichtet werden müssen. Dieses Prozedere erfolgte bei der Remstalgartenschau nicht.“Julius Mihm räumt ein, dass es gar kein Controlling gegeben habe. Nach Aussage des Baudezernenten Julius Mihm habe es gar kein Controlling des Projekts gegeben. „Wir können aber davon ausgehen dass alle Mittel für den Zweck der Remstalgartenschau genutzt wurden.“ Positionen seien stichprobenartig überprüft worden. Ob alle Ausgaben notwendig waren, stehe auf einem anderen Blatt. Immerhin sind die 975 000 Euro nicht komplett, sondern „nur“ 866 000 Euro nach aktuellem Stand nötig. „Was wir gehört haben, war schwindelerregend“, sagte Andreas Benk (Linke). Es gebe nur einen Sachstandsbericht und nicht den gewünschten Rechnungsprü-fungsbericht. Seine Fraktion habe mehrmals gefragt, ob die Unterlagen dem Rechnungsprüfungsamt vorlägen und sei jedes Mal vertröstet worden. Die Rems-talgartenschau sei ein eindrucksvolles Erlebnis gewesen. „Aber es ist unsere ureigene Aufgabe als Gemeinderat zu überprüfen, wie die Verwaltung handelt.“ Er frage sich nach wie vor, warum die Unterlagen nicht vorgelegt wurden. „Wer Visionen hat und auf deren Realisierung pocht, ist auch verantwortlich dafür, dass die in einem rechtlichen Rahmen umgesetzt werden.“ Seine Fraktion erwarte konkrete Maßnahmen, die gewährleisten, dass so etwas nicht mehr vorkäme. Martin Bläse (CDU) bat darum, die Kirche im Dorf zu lassen. Die Planung sei zwar visionär gewesen, aber nicht geeignet, eine Kostenschätzung zu machen. Die Budgetüberschreitung sei nicht richtig registriert worden. Für ihn sei das Chefsache und somit der Fehler des Baubürgermeisters Julius Mihm gewesen. Um das künftig zu vermeiden, schlage er vor, einen Controller zu benennen, der dem Gremium vortrage. „Der Bericht hat mich schockiert“, sagte Gabriel Baum (Grüne). Wer die Mehrkosten verantworte, sei immer noch unklar. Der Gemeinderat habe mit der Zustimmung der Mehrkosten im Oktober 2019 gezeigt, dass er wohlgesinnt sei.Trotz dieses Umstands habe es keine vollständige Aufklärung der Sachlage gegeben. Es habe eklatante Mängel gegeben. „Daher erwarten wir, dass die Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt fertiggestellt wird.“ „Mein Eindruck nach dem Lesen des Berichts hielt sich zwischen Erstaunen und Empörung die Mitte“, sagte Dr. Uwe Beck (SPD). Auch ihm sei unerklärlich, warum es immer noch fehlende Unterlagen gebe. „Das ist ein Skandal!“ Dass die Ausgaben nicht sachfremd ausgegeben wurden, sei nur ein schwacher Trost. „Biswann gedenkt die Sachverwaltung alle Unterlagen vorzulegen?“ Denn wenn in Finanzangelegenheiten geschwiegen werde, beginne die Phantasie zu arbeiten. „Ich glaube nicht, dass wir weitere Erkenntnisse gewinnen, wenn wir den Fall weiter aufarbeiten“, sagte Ullrich Dombrowski (Bürgerliste). Auch wenn dieVerwaltung das Transparenzgebot verletzt habe. „In Zukunft werden wir darauf bestehen, dass wir umfassend informiert werden.“Er habe sich persönlich um die Aufarbeitung gekümmert, rechtfertigte sich Bürgermeister Julius Mihm. Und man könne ihn jetzt steinigen, aber die geforderten Unterlagen gebe es nicht. Nicht weil sie zurückgehalten würden, sondern weil sie gar nicht existent seien. Bei einer Gartenschau gebe es viele unerwartete Veränderungen. Es sei ein Prozess gewesen, der aufgrund der zeitlichen Enge und des abnehmenden Personals immer mehrin die Improvisation abgeglitten sei. Oft sei er selbst mit auf die Baustelle gegangen, wo man gegen Ende auch Entscheidungen direkt vor Ort „auf Zuruf“ treffen musste. Man könne an vielen Punkten sagen, dass dies nicht idealtypisch abgelaufen seien. Dafür übernehme er die Verantwortung. Dafür sei ein Bürgermeister da. „Ich muss Ihnen sagen, das ist nicht gut gelaufen“, sagte auch OB Richard Arnold. „Wir müssen daraus Lehren ziehen für die Zukunft.“ Es sei ein Fehler gewesen, dass der Gemeinderat in die Entscheidungen nicht miteinbezogen worden sei. Es habe zu der Zeit keine arbeitsfähigen Strukturen gegeben. Für Projekte dieser Größe müsse eine GmbH gegründet werden, da gebe es einen Aufsichtsrat. Scheuermann habe recht, wenn er sage, die Struktur sei zwar auf dem Papier gegeben gewesen, aber nicht gelebt worden. Es sei ein Unding, dass kein Controlling eingerichtet wurde. Aber es sei nicht einfach gewesen in den Jahren 2017 bis 2019; es habe Personalwechsel gegeben. Er gebe offen zu, dass man Glanzpunkte schaffen wollen habe, als klar war, dass die Schaueintritts pflichtig werde. „Wir haben das im laufenden Projekt entschieden.“Dafür habe man jetzt neun Trinkbrunnen für Kinder, auch wenn man die nicht zwingend benötigt habe. Er sei dankbar für die Erkenntnisse. „Sie werden nie mehr sehen, dass wir ein Projekt dieser Größe ohne GmbH über die Bühne bringen.“ Und die Schlussfolgerung sei die, dass man künftig rechtzeitig in den Gemeinderat gehen müsse.
Copyright Rems Zeitung, 22.10.2020