Das lange Warten aufs Wohngeld: Betroffene berichten
Aus der heutigen Rems Zeitung: Als es nach monatelangem Warten auf das Wohngeld knapp wird, beginnen drei Mütter, am Essen zu sparen und den Gürtel enger zu schnallen. Denn durch einen
offenen Antrag bleibt nicht nur das Wohngeld aus, es können auch komplett neue Kosten entstehen.
SCHWÄBISCH GMÜND. „Ich finde, da muss man eine andere Lösung schaffen“, fordert Alisa Ramanaj. Sie ist Mutter dreier Kinder, hat Anspruch auf Wohngeld. Doch bis das bei ihr ankommt, musste sie lange warten. Fast ein Jahr verging, bis sie ihre Zahlungen erhalten hat, nachdem sie ihren Antrag eingereicht hatte. „Aber ich brauche das Geld ja jetzt und nicht in zwölf Monaten“, schildert sie. Ramanaj ist eine von drei Frauen, die zusammen mit Dr. Andreas Benk und Andreas Dionyssiotis, beide sitzen für die söl-Fraktion (sozial.ökologisch.links) im Gmünder Gemeinderat, auf die langen Wartezeiten aufmerksam machen wollen. Dabei schildert die dreifache Mutter die
schwierigen Monate, bis ihre das Wohngeld rückwirkend ausgezahlt wurde. „Man muss sich verschulden, um die Miete zu zahlen.“ Auch Ernesa Demiri kennt das lange Warten auf die Leistungen, hat einen Kredit aufgenommen, um mit ihrer Familie über die Runden zu kommen, sagt sie. Die Zinsen, die dabei anfallen, bekomme sie nicht zurückerstattet. Als Khadija Qweider
ihre Zahlungen erhält, ist ihr Konto bereits um mehrere tausend Euro im Minus.
Alle drei Frauen schildern den Antrag auf Wohngeld als langwierigen, komplizierten Prozess. Als Khadija Qweider ihren Antrag im Mai 2023 gestellt hatte, erhielt sie drei Monate später eine Rückmeldung, dass der Antrag unvollständig sei. Bei einem zweiten Antrag, den sie im Februar
2024 gestellt hatte, erhält sie im April dieselbe Antwort. Zudem sei der Antrag ausschließlich analog auf Papier einzureichen. Bei allen drei Frauen habe es Monate, teilweise über ein Jahr gedauert, bis die Leistungen ausgezahlt wurden. Alle Anträge seien mit aufwändigen Nachweisen von Ein- und Ausgaben sowie Miete und Arbeitsverhältnis verbunden gewesen.
Auch bei Folgeanträgen habe es stets alle Nachweise erneut in Papierform gebraucht. Unabhängig davon, ob sich die Lebensumstände geändert haben oder nicht. „Wenn sich die Verhältnisse nicht
ändern, kann man doch einen Kurzantrag machen“, schlägt Ramanaj vor. Durch den langen Bewilligungsprozess komme es bei Betroffenen nicht nur zu finanziellen Engpässen, erklären Regina Krieg und Lisa Grimmbacher, die bei der Gmünder Arbeitlosenselbsthilfeorganisation a.l.s.o. unter anderem bei Anträgen zum Kinderzuschlag unterstützen. Es könne zusätzliche Kosten
verursachen, da durch das noch nicht bewilligte Wohngeld die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets enthielen, durch die zum Beispiel Schulessen, Vereinssport, Nachhilfeunterricht oder Busfahrkarten für Kinder übernommen werden. Diese Kosten hätten die Eltern für ihre
Kinder in dem Fall vorstrecken müssen. Um die Mehrkosten aufzufangen, haben sie am Essen gespart, berichten die drei Mütter einheitlich.
„Das sind keine Einzelfälle“, sagt Dr. Andreas Benk, „sechs bis sieben Monate sind da eigentlich die Regel“. Allerdings sei das nicht überall so. In Aalen oder Schorndorf etwa sei der Prozess kürzer. Auch im Ostalbkreis, etwa in Böbingen, wisse Grimmbacher von einem Fall, in dem das Wohngeld deutlich schneller bewilligt wurde. Bereits im September richtete sich Andreas Dionyssiotis bezüglich der Dauer zwischen Wohngeldantrag und Bewilligung an den Ausschuss des Gemeinderats für Bildung, Gesundheit und Soziales. Damals sprach der Leiter des Sozialamts, Hans-Peter Reuter, von rund 800 offenen Wohngeldanträgen. Auf Nachfrage der Redaktion Anfang Oktober waren es laut Stadtverwaltung 778 offene Anträge.
Für Verzögerungen bei der Bearbeitung könne es vielerlei Gründe geben, zum Beispiel fehlende Unterlagen. Auf Nachfrage der Redaktion im Oktober nannte die Stadtverwaltung außerdem Personalmangel im Amt für Familie und Soziales als weiteren Grund. Argumente hinsichtlich personeller Engpässe „sind für uns nachvollziehbar“, sagt Benk. Dennoch brächten die langen Wartezeiten enorme Auswirkungen mit sich. „Ich finde, es tut sich etwas im Moment“, sagt Regina Krieg in Bezug Rückmeldungen auf Wohngeldanträge. Die, die nun beantwortet werden, seien wahrscheinlich aber nur diejenigen, die über die vergangenen Monate liegen geblieben sind.
¬ Das Projekt „KiZplus 5.0“, wird im Rahmen des Programms „Aktion (F) – Aktiv für Familien und ihre Kinder“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert.
Copyright Rems Zeitung, 19.11.2024