Denkmalschutz und Photovoltaik: Geht beides?
Klimaschutz: Die Gmünder Altstadt steht als „Gesamtanlage“ unter Denkmalschutz; zudem genießen viele Einzelgebäude als Baudenkmale den besonderen Schutz der Behörde. Aktuell schließt das PV-Anlagen noch aus; wegen des Klimawandels soll sich daran aber etwas ändern.
SCHWÄBISCH GMÜND. Der Klimawandel ist in aller Munde; und nur sehr wenige Leute zweifeln noch daran, dass in dieser Hinsicht ein dringender Handlungsbedarf besteht. Es gilt als Gebot der Stunde, durch Nutzung regenerativer Energien wie Wind und Sonnenlicht fossile Energieträger und damit Emissionen wie Kohlendioxid einzusparen. Angesichts explodierter Energiepreise erhält dieses Thema eine zusätzliche Dynamik. Daher plädiert die Fraktion
DIE LINKE und die „Bürgerliste“ im Gemeinderat im Rahmen eines nicht haushaltswirksamen Antrags dafür, in der Gmünder Innenstadt die Photovoltaik und den Denkmalschutz unter einen Hut zu bringen – und darüber hinaus
die Installation von PV-Anlagen auf allen städtischen Gebäuden zu forcieren.
Stadtrat Sebastian Fritz (Linke) erläuterte in der Sitzung des Haushaltsausschusses am Mittwoch den Antrag damit, dass aufgrund der Entwicklung des Energiemarkts der Druck auf Gebäudeeigentümer immer höher werde. Man müsse daher sehr sorgfältig abwägen, ob aus Rücksicht auf den Denkmalschutz die Genehmigung von Photovoltaikanlagen verweigert werden darf.
Die Stadtverwaltung versicherte, dass sie die „Solarpotenziale von städtischen Dächern vertiefend untersuchen“ und dabei ästhetische Gesichtspunkte, aber auch den Denkmalschutz berücksichtigen müsse. Vor allen der Denkmalschutz
erweist sich derzeit aufgrund der aktuellen Rechtslage noch häuig als Hemmschuh für PV-Anlagen. Denn viele Gebäude in der Innenstadt genießen einen besonderen Schutz als Baudenkmal – und bis dato sind laut Stadtverwaltung Photovoltaik-Paneele auf Dächern denkmalgeschützter Gebäuden baurechtlich nicht zulässig.
Zudem, so die Stadt weiter, stehe die Altstadt als „Gesamtanlage“ unter Denkmalschutz und müsse aus wissenschaftlichen, künstlerischen und heimatgeschichtlichen Aspekten weitgehend so erhalten werden, wie sie seit altersher ist.
„Unsere Altstadt ist die Seele unserer Stadt; sie gibt Identität, schafft Atmosphäre und Heimat und strahlt Authentzität und Kontinuität über Jahrhunderte aus“, beschreibt die Verwaltung die Bedeutung des historisch gewachsenen Gebäudeensembles im Zentrum von Gmünd.
Und dazu gehöre nicht zuletzt die Stadtansicht von außerhalb, erläuterte Baubürgermeister Julius Mihm; also in Gmünd
auch der Blick auf die Stadt von den Anhöhen aus (zum Beispiel vom Straßdorfer Berg, vom Zeiselberg oder vom Lindenirst). Aus diesen Perspektiven werde das Stadtbild maßgeblich von der Dachlandschaft mit zumeist roten Ziegeln geprägt.
Weil laut Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Klima- und Denkmalschutz als gleichrangige Ziele gelten, muss also ein Kompromiss zwischen den sich widersprechenden Interessen gefunden werden. Dieser Kompromiss sieht laut Bürgermeister Mihm zum Beispiel vor, dass Solaranlagen auf den Dächern der Altstadt von der Farbgebung an die traditionell ziegelroten Dächer anzupassen seien. Unter anderem Rahmen aus reflektierendem blanken Metall gelten als unpassend.
In diese Richtung gehen auch die Richtlinien und konkreten Handlungsempfehlungen im neuen Gestaltungsleitfaden für denkmalverträgliche Photovoltaikanlagen, erläuterte Julius Mihm. Er räumte jedoch ein, dass diese Aulage – angesichts der aktuell sehr großen Lieferschwierigkeiten bei Solaranlagen – die Beschaffung zusätzlich erschwere und damit eine erhebliche Herausforderung für Gebäudeeigentümer beziehungsweise Bauherren darstelle.
Grundsätzlich erhofft sich die Gmünder Stadtverwaltung von den neuen Leitlinien des Ministeriums mehr Klarheit bei der Beurteilung entsprechender Baugesuche. Man wolle weg von umstrittenen Einzelfallgenehmigungen und hin zu einer „planerisch abgestimmte und begründeten Gesamtlösung“. In diesem Zusammenhang verwies die Stadt allerdings auch auf den Umstand, dass deutschlandweit nur vier Prozent der Gebäude unter Denkmalschutz
stehen. Das bedeute im Kehrschluss, dass schon jetzt baurechtlich auf 96 Prozent der Gebäude Photovoltaik-Anlage genehmigungsfähig seien. Diese Erkenntnis bedeute freilich nicht, dass nicht auch Kulturdenkmale ihren Beitrag zur Energiewende leisten können, so die Stadt Gmünd.
Neue Leitlinien des Ministeriums
Die Installation von Photovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden wird vom Land Baden-Württemberg künftig erleichtert. Das gab die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi, im Juli bekannt. Ihr Ministerium habe als oberste Denkmalschutzbehörde des Landes entsprechende Leitlinien erlassen. Laut den Leitlinien ist die Genehmigung regelmäßig zu erteilen, wenn sich die Solaranlagen der eingedeckten Dachfläche unterordnen und möglichst flächenhaft sowie farblich abgestimmt angebracht werden. Damit können auch Besitzer denkmalgeschützter Gebäude, insbesondere Kirchen, einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nur bei erheblicher
Beeinträchtigung des denkmalgeschützten Gebäudes komme künftig noch eine Ablehnung einer PV-Anlage in Betracht.
Denkmalschutz und Klimaschutz schließen sich laut Ministerin Razavi nicht aus. (lbw)
Copyright Rems Zeitung, 14.07.2022 Gerold Bauer