Die Sorgen der Bauern
SCHWÄBISCH GMÜND. „Fläche ist die Grundlage unseres Lebens und wir müssen so sorgsam wie möglich mit ihr umgehen“. Das sagte Hubert Kucher, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Ostalb-Heidenheim, am Mittwochabend in der gemeinsamen Sitzung des Bau- und Verwaltungsausschuss des Gmünder Gemeinderats. Das Hauptaugenmerk von Kucher und seinen
Mitstreitern, Kreisbauernverbandsgeschäftsführer Johannes Strauß und Vorstandsmitglied Michael Weber, lag dann auch auf dem Thema Flächenverbrauch. Man wolle sich der Materie intensiv widmen, hatte OB Richard Arnold zu Beginn der Sitzung versprochen. Zwei Stunden waren es am Ende.
Anlass für die Präsentation über den Flächenverbrauch und die Auswirkungen auf die Landwirtschaft war ein Antrag der Linken gewesen. Schließlich werde das Thema landauf, landab diskutiert, sagte Stadtrat Sebastian Fritz. Durch die Fortschreibung des Flächennutzungsplans
werde viel Platz für Wohn- und Gewerbegebiete in Anspruch genommen. Allerdings lege die Landesregierung fest, wie groß der Flächenverbrauch der Gemeinden sein dürfe. Und der sei im neuen Flächennutzungsplan viermal so hoch wie eigentlich erlaubt. Darum habe seine Fraktion um
eine Einschätzung der Landwirte gebeten. Die Landwirtschaft stelle die Ernährung der Bevölkerung sicher, sagte Kucher. Dafür brauche man ausreichend Fläche. Doch schon jetzt könne die Landwirtschaft in Deutschland die eigene Bevölkerung nicht mehr zu 100 Prozent versorgen. „Bei Obst und Gemüse sind wir bei 25 Prozent Eigenversorgung, bei Eiern bei 50 Prozent und bei Kartoffeln sind es 40 Prozent.“ Das gleiche gelte für tierische Lebensmittel. „Nur vier von zehn Schnitzeln, die in Baden-Württemberg gegessen werden, kommen auch von hier.“ Und die Fläche,
die für den Anbau von Lebensmitteln, Futter und Tierhaltung genutzt werden könne, sei immer weiter geschrumpft.
Dies erläuterte Johannes Strauß in seiner Präsentation ausführlicher. So seien in Baden Württemberg von 2000 bis 2020 63 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche verloren gegangen. „Das sind 126 000 Fußballfelder, nur um das zu verdeutlichen.“ Im Ostalbkreis seien es im gleichen Zeitraum 3469 Hektar verlorene Fläche. Dabei würden vor allem die guten, fruchtbaren Ackerböden in den Tallagen verbaut. „Uns bleiben dann Hanglagen, wo der Boden nicht so gut nutzbar ist.“ Die Landwirte wünschen sich Schutzinstrumente wie das Landeswaldgesetz, das
zu Aufforstung und Ausgleichsmaßnahmen verpflichtet. Zwar sei der deutschlandweite Flächenverbrauch bis 2019 leicht rückläufig gewesen, doch nun sehe man einen erneuten Anstieg. „Für den Technologiepark Aspen zum Beispiel werden von vorneherein 35 Hektar verplant,
die später auf 60 Hektar erweitert werden könnten.“
Auch immer neue Baugebiete und großflächige Parkplätze an Supermärkten auf der grünen Wiese tragen Strauß zufolge zu diesem hohen Flächenverbrauch bei – stets auf Kosten der Landwirte. „Denn einmal bebaute Flächen gehen für die landwirtschaftliche Nutzung in der Regel für immer
verloren.“ Der Kreisbauernverband hat konkrete Forderungen. „Eine mehrstöckige Bebauung sollte immer geprüft werden“, sagte Kucher. Heißt: Reihen- und Doppelhaushälften und verdichtete Bebauung, Parkhäuser und Tiefgaragen statt flächige Parkplätze. „Werden neue Gewerbeflächen oder Wohnbauflächen ausgewiesen, sollte vorher immer geprüft werden, ob Industriebrachen, Leerstände oder Baulücken zuerst genutzt werden könnten“, regte Strauß an.
Weiter sprach er sich für mehr Eigenverantwortung privater Bauherren aus. Er hält es für zumutbar, dass Häuslebauer in Eigenverantwortung Ausgleichsmaßnahmen vornehmen. Das könnten etwa
Hecken, Blühstreifen oder Büsche in privaten Gärten sein. Der Ausbau der erneuerbaren Energien
beschäftigt die Landwirte ebenfalls – konkret die Freiflächenfotovoltaik. Doch dafür seien nicht alle Flächen geeignet, sagte Strauß. Es gibt zwar viele Ausschlusskriterien, aber die Landwirtschaft zählt ihm zufolge nicht dazu. Das müsse sich ändern.
Auch hier gelte es, keine neuen Flächen zuzubauen, sondern bestehende Dächer zu nutzen oder etwa Parkplätze zu überdachen. Vorteil laut Strauß: Im Sommer stehen die Autos im Schatten und im Winter muss kein Schnee geräumt werden. Der Geschäftsführer des Kreisbauernverbands
erinnerte daran, dass die Landwirtschaft ihre Scheunen- und Stalldächer vielfach mit Fotovoltaik belegt habe. „In der Industrie sind die Dächer leer.“
Michael Weber, Landwirt aus Waldstetten, zitierte aus dem Landschaftsplan, eine Anlage im neuen Flächennutzungsplan.
Demnach ist die Zahl der Betriebe die aufgeben, besorgniserregend. Nur sechs junge Menschen im Ostalbkreis erlernen Weber zufolge derzeit den Beruf des Landwirts. Er bedankte sich dafür, dass die Vertreter des Kreisbauernverbands die Gelegenheit hatten, vor den Gemeinderäten zu sprechen.
Für ihn gehört das zur Wertschätzung dazu. Übrigens: Im Gmünder Gemeinderat gibt es keinen Landwirt mehr, wie Andreas Benk (Die Linke) sagte.
Copyright Rems Zeitung, 26.01.2023