Extremes Wetter fordert mehr Eigenvorsorge der Gmünder
Das Klimaanpassungskonzept nennt Brennpunkte im Stadtgebiet für Starkregen und starke Hitze.
Schwäbisch Gmünd. Mehr Tage mit deutlich über 30 Grad Hitze, mehr Starkregen: Das Klima wird rauer auch in Gmünd. Deshalb wird der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung voraussichtlich das Konzept zur Anpassung an dieses veränderte Klima beschließen, das haben die Fraktionen in der Vorberatung signalisiert. Allerdings erinnerten mehrere Redner die Bürger auch an ihre Eigenverantwortung.
Mit diesem Beschluss verbunden ist auch das Ja zur Fortführung des Prozesses. Und er würde die Anstellung des Klimaanpassungsmanagers Dr. Benjamin Birami, die bislang bis Ende Februar befristet ist, verlängern.
Birami hat auch die Entwicklung des Wetters in Gmünd in den vergangenen Jahren angeschaut und er fasste sie so zusammen: „Es wird wärmer, es wird trockener, es wird nasser.“ An diese Veränderung müssten sich die Gmünder anpassen. Birami hat Hotspots definiert, die von Extremwetterlagen besonders betroffen wären.
Starkregen: Eutighofer Straße, Becherlehenstraße, Otto-Tiefenbacher-Straße, Stauferstraße in Bargau, Murrenweg/Mühlgrabenstraße in Weiler, Filstalstraße/Lautertalstraße in Degenfeld.
Hitze: Innenstadt, Deinbacherstraße in Wetzgau/Rehnenhof, Otto-Tiefenbacher-Straße, Lorcher Straße, Großdeinbach, Einhornstraße in Straßdorf.
Daraus ergeben sich für den Anpassungsmanager verschiedene Handlungsfelder: Mensch und Soziales ebenso wie zum Beispiel Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Böden, Naturschutz und Biodiversität, Wirtschaft und Tourismus. So müssten „empfindliche“ Einrichtungen von Kindergärten bis zu Seniorenheimen besonders betrachtet werden und die Stadt müsse Angebote finden, um Besucher auch bei großer Hitze in die Innenstadt zu locken.
Das meinen die Fraktionen zur Klimaanpassung
Martin Bläse (CDU) wies darauf hin, dass die Bürger auch eine Eigenverantwortung haben. Bei der künftigen Umsetzung der Klimaanpassung komme es verstärkt auf die praktischen Maßnahmen an.
Karl Miller (Grüne) forderte, dass Bäume im Stadtgebiet, vor allem im Zentrum, besser geschützt werden. Kontraproduktiv sei, dass Gmünd zunehmend die grünen Hänge, die die Hitze im Zentrum lindern könnten, zubaue.
Maren Zengerle (SPD) lobte, dass das Konzept verschiedene Wetterextreme verbindet und eine gute Grundlage für Neubauplanungen sei. Auch die Bürger seien zum Handeln aufgefordert, meinte Andreas Wörner (AfD). Deshalb solle die Öffentlichkeitsarbeit für dieses Thema verstärkt werden.
BL-Stadträtin Dr. Constance Schwarzkopf-Streit wandte sich dagegen, die Reglementierung von Bäumen in Privatbesitz zu forcieren. Andreas Benk von der söl-Fraktion kritisierte, dass der eben erst vom Gemeinderat beschlossene neue Flächennutzungsplan den Zielen der Klimmaanpassung zuwiderlaufe.
Jens Freitag (FDP/FW) wies auf Widersprüche in der Starkregengefahrenkarte hin. Baubürgermeister Julius Mihm hielt dagegen, er würde die Karte ernst nehmen.
Gefahr für das eigene Grundstück prüfen
In der Starkregenrisikokarte, die auf der Homepage der Stadt zu finden ist, können Bürger, die Gefahr von Hochwasser bei schweren Regenfällen direkt für ihr Grundstück prüfen. Darauf wies Tiefbauamtsleiter Jürgen Musch hin.
Copyright Gmünder Tagespost, 13.12.2024
Ausführliche Stellungnahme von Prof. Dr. Andreas Benk:
Dank für umfassende Analyse und das gründliche, fundierte Konzept! Wem es noch
nicht bekannt war, werden hier noch einmal ganz nachdrücklich die drastischen Folgen des Klimawandels vor Augen geführt. Und es wird einmal mehr deutlich, dass wir
schon jetzt Betroffene sind. Viele wesentliche Lebensbereiche, Senioreneinrichtungen, Kitas, Schulen, auch die Landwirtschaft und Tourismus sind von den Folgen des
Klimawandels betroffen: Es geht um Menschenleben und um die Erhaltung einer lebenswerten Stadt, es geht nicht nur um Ökologie, sondern ausdrücklich auch um
Ökonomie (vgl. S. 2).
Wir als Gemeinderat sind verantwortlich, Vorkehrungen zu veranlassen. Zitat:
„Wichtigste Grundlage für eine klimagerechte Stadtentwicklung ist eine politische
Zielsetzung und deren Beschluss durch den Gemeinderat“ (S. 44). Und weiter: „Je
früher Klimaschutz- und Klimaanpassungsaspekte der Stadtentwicklung berücksichtigt werden, desto leichter können die Weichen für deren spätere Umsetzung
gestellt werden“(ebd.). D.h. wir sind gefordert!
Mit der kürzlichen Verabschiedung des Flächennutzungsplans 2035, der im gemeinsamen Ausschuss mit Waldstetten nur ganz knapp mit den Stimmen von CDU und
AFD beschlossen wurde, wurde eine wichtige Weiche gestellt. Leider in der falschen
Richtung.
Denn das Klimaanpassungskonzept stellt unmissverständlich klar, wir notwendig eine
Eindämmung weiterer Versiegelung ist. Vielfach ist in dem Konzept vom Risiko einer
zunehmenden Flächenversiegelung die Rede (genau 58-mal), weil dadurch Starkregen-Hotspots und Hitzeinseln entstehen. Ausdrücklich fordert das Konzept eine „vorausschauende und sparsame Flächennutzungsplanung“ (S. 46). Mit der Verabschiedung des FNP hat der gemeinsame Ausschuss mit Waldstetten eine politische
Entscheidung getroffen, die dem nicht nachkommt.
Der FNP 2035 plant, die Wohnbau-, Industrie- und Gewerbeflächen Gmünds innerhalb weniger Jahre um mehr als 10% zu vergrößern (vgl. S. 15). Unsere heutige Vorlage verweist darauf, dass der Anteil von Industrie- und Gewerbeflächen in Gmünd
schon jetzt mehr als 3mal so hoch wie im deutschen Durchschnitt (S. 88). Auch
verweist das Konzept auf den hohen Anteil versiegelter Fläche auf den 113 km² des
Gmünder Stadtgebiet, die rund doppelt so hoch ist wie im deutschen Durchschnitt
(S. 112).
Es ist widersinnig: Wir planten kürzlich mit dem FNP 2035 eine opulente Flächenversiegelung und jetzt beschließen wir eine „Entsiegelungpotenzialstudie und nachfolgende Maßnahme[n] zur konkreten Entsiegelung von Flächen“ (S. 112).
Mehrere Vorredner Appelierten an die Eigenverantwortung der Bürger*innen unserer Stadt. Das ist berechtigt. Doch auch dazu nennt das Klimafolgenkonzept einen
wichtigen Aspekt, den wir künftig ganz besonders beachten müssen: das Risiko sozialer Ungerechtigkeit (S. 63). Zitat: Nicht jeder wohnt in einem „Eigenheim und kann
präventive Maßnahmen einfach umsetzen oder hat die (finanziellen) Ressourcen diese vorzunehmen“. „Von zentraler Bedeutung ist demnach, Maßnahmen zur Klimaanpassung nicht ungeachtet von Aspekten der sozialen Gerechtigkeit zu ergreifen,
sondern insbesondere die Personengruppen in den Fokus zu rücken, die in ihren
eigenen Handlungsmöglichkeiten beschränkt sind und somit besonders vulnerabel
gegenüber den klimawandelbedingten Folgen sind“ (ebd.).
Wir werden dieses Konzept beschließen (wie das Lärmschutzkonzept…). Nun ist aber
notwendig, worauf im Text hingewiesen wird und was bislang bei uns nur ungenügend der Fall war: „Die Belange des Klimaschutzes und die Klimaanpassung sind
gleichrangig [!] gegenüber den übrigen Belangen anzusehen und erfordern eine
Abwägung“ (S. 50).