Gmünder Rettungsdienst zum künftigen Klinik-Standort: Essingen wäre „am Rande des Machbaren“
Die Stadt Aalen wirbt für eine Kombi-Lösung am Ostalb-Klinikum in Aalen als Regionalversorger. Was der Gmünder DRK-Rettungsdienstleiter und Gmünder Kreisräte dazu sagen.
Schwäbisch Gmünd/Aalen
Die Kombi-Lösung am Ostalb-Klinikum“ – so überschreibt die Stadt Aalen eine 22-seitige DIN-A4-Broschüre, in der sie dafür wirbt, aus dem bestehenden Klinikum in Aalen mit einem Neu- und Umbau einen Regionalversorger für den Kreis zu machen. Das sei kostengünstiger und schneller realisiert als der Neubau eines Klinikums in der Mitte des Kreises: in Essingen. „Bis Essingen und keinen Millimeter weiter“, sagte Gmünds Oberbürgermeister Richard Arnold, als sich die Endera Management Beratungsgesellschaft im September für einen Neubau eines Zentralklinikums auf der „grünen Wiese“ und gegen den Standort Ostalbklinikum in Aalen ausgesprochen hat.
Rettungsdienst: Zeit ein wichtiger Faktor für die Genesung der Patienten
Zur Standortfrage sagt Rettungsdienstleiter Tobias Gerhardts vom Gmünder Deutschen Roten Kreuz (DRK): „Essingen wäre gerade noch am Rande des Machbaren für uns.“ Er und seine Kollegen müssen die Vorgaben des Rettungsdienstplans Baden-Württemberg einhalten. Dieser gibt vor, dass die Hilfsfrist ab dem Notruf bis zur Einlieferung ins Krankenhaus bei „Tracerdiagnosen“ wie Herzinfarkt, Herzkreislauf-Stillstand oder Schlaganfall maximal 60 Minuten betragen soll. Bei Einsätzen mit schweren Krankheitsbildern wie diesen müsse der Rettungsdienst immer ein voll ausgestattetes Klinikum anfahren.
Er gehe davon aus, dass Rettungsdienstmitarbeiter von einer der Rettungswachen zehn Minuten bis zum Patienten brauchen und diesen 20 bis 25 Minuten vor Ort versorgen. Dann blieben noch 25 bis 30 Minuten, um in die Klinik zu kommen. Von Schwäbisch Gmünd aus werde dies – je nach genauem Standort und Verkehrslage – bis Essingen schon knapp. Von Straßdorf, Rechberg, Lorch und anderen Orten, die westlich von Schwäbisch Gmünd liegen, sei die Zeitvorgabe nicht einzuhalten. „Auch mit Blaulicht können wir schließlich keine 180 Sachen fahren“, erklärt Tobias Gerhardts. Er betont, dass die Versorgung der Patienten, bevor diese in die Klinik kommen, einen wesentlichen Einfluss auf deren Genesung nehme. Ein wichtiger Faktor sei dabei die Zeit. Doch er sehe natürlich auch, dass der Kreis auf das Defizit der Kliniken reagieren müsse.
Gmünder Kreisräte zum Aalener Vorstoß für den Standort Ostalb-Klinikum: Das würde den Kreis spalten
„Das würde den Ostalbkreis spalten“, sagt der Gmünder CDU-Kreisrat Johannes Barth über den Wunsch der Stadt Aalen, der Kreis solle eine Kombi-Lösung am Ostalb-Klinikum in Aalen als künftiges Regionalversorger-Klinikum bauen. Er bezweifelt, dass die Argumente stimmen, die Aalen in ihrer neuen Broschüre für eine Kombi-Lösung aufführt. Zur Behauptung, diese wäre schneller umsetzbar als ein Neubau bei Essingen, sagt er: Der Ortenaukreis etwa baue genau deshalb neu, weil ein Neubau viel schneller zu realisieren sei als ein Bau am Bestand. In der Broschüre ist neben einer „Halbierung der Bauzeit“ die Rede von einer „Halbierung der Kosten“, wenn in Aalen an- und umgebaut, statt in Essingen neu gebaut wird. Diese Aussagen hält Johannes Barth für „populistisch“. Die aufgeführten Zahlen seien „rein spekulativ“. Zudem kritisiert der CDU-Kreisrat, dass der Aalener Oberbürgermeister Frederick Brütting (SPD) erst jetzt mit dem Vorschlag Kombi-Lösung in Aalen komme, wenn sich die Mehrheit der Kreisräte auf den Standort Essingen geeinigt habe.
Auch Elmar Hägele aus Schwäbisch Gmünd sagt als Kreisrat des Bündnis 90/ Die Grünen: Er hatte den Eindruck, mit dem Vorschlag des Baus eines Regionalversorgers in Essingen als geografischer Mitte des Ostalbkreises sei man auf „einem guten Weg zu einem Konsens“ gewesen, den die Gmünder und Mutlanger mittragen können. Dass Frederick Brütting in seiner Funktion als Aalener Oberbürgermeister mit der „handwerklich gut gemachten Broschüre“ nun vorpresche, sei legitim. Doch der Aalener OB sei eben auch Kreisrat und müsse als solcher die Interessen des ganzen Kreises im Blick haben. Elmar Hägele wundert sich über die Zahlen, die in der Broschüre für eine Kombi-Lösung am Ostalb-Klinikum sprechen. Die Firma Endera müsse diese nun prüfen. Danach gelte es, auf Basis des Ergebnisses Punkt für Punkt abzuwägen bei der Entscheidung über die Zukunft der Kliniken.
Eine Hochglanzbroschüre ersetze nicht die Auseinandersetzung mit Argumenten, die nun wichtig sei, sagt SPD-Kreisrätin Sigrid Heusel aus Schwäbisch Gmünd über das 22-seitige Heft, das bereits das zweite der Stadt Aalen zu dem Thema sei. Und: „Ich verstehe nicht, warum Aalen da so vorprescht.“ Für sie seien die Faktoren Entfernung und Erreichbarkeit bei einem künftigen Klinikum als Regionalversorger im Kreis entscheidend. Gerade bei der Behandlung von Notfalleinsätzen sei die Zeit ein wichtiger Faktor, sagt sie und verweist auf die rund 130 000 Menschen, die im Einzugsgebiet Schwäbisch Gmünd leben. Mögglingen käme für sie als Klinikstandort in Frage oder Essingen. Das wäre auch für die Gemeinden im Osten des Kreises eine gute Lösung, meint sie.
„Ein Neubau ist immer günstiger als ein Um- und Anbau im Bestand“, sagt Martin Mager, Freie-Wähler-Kreisrat aus Waldstetten. Zumal in einem Altbau oftmals Überraschungen warteten, die beim Umbau sehr teuer werden können. Das habe sich auch in Waldstetten gezeigt, wo die Gemeinde das alte Rathaus daher abgerissen hat und nun neu baut. Was die Zukunft der Kliniken im Kreis angeht, wolle er auf die Zahlen der Gutachter warten, um dann darüber zu diskutieren.
Es sei schade, dass die Zukunft der Kliniken jetzt bei der Stadt Aalen diskutiert werde und nicht im Verwaltungsausschuss der Kliniken des Kreises, wo das Thema eigentlich hingehöre, sagt Linke-Fraktionsvorsitzende Cynthia Schneider aus Schwäbisch Gmünd zu der Broschüre: „Das ist Kirchturmpolitik, die uns bei dieser Thematik null Komma null voranbringt.“ Aalen als Standort eines Regionalversorgers statt Essingen als geografischer Mitte, das wäre für Gmünder „der Bruch“, meint sie. Gerade im Jubiläumsjahr zu 50 Jahren Ostalbkreis finde sie es schade, dass man nicht als „Ostälbler“ denke, meint sie in Bezug auf die Stadt Aalen.
In der Klinikfrage dürfe es „keine Gewinner und Verlierer geben“, sagt FDP-Kreisrat Michael Lang aus Mögglingen. Doch „beim Standort Aalen würden sich die Gmünder als Verlierer sehen“. Zu den Aalener Argumenten meint er, Experten zweifelten an den Angaben zur Bauzeit. Und keiner könne ihm weismachen, dass eine Großbaustelle am Klinikum die Patienten dort nicht beeinträchtige.
Hinsichtlich der Erreichbarkeit sei ein Neubau in Essingen an der B 29 und Remsbahn optimal, sagt AfD-Fraktionssprecher Dr. Frank Gläser aus Aalen. Bei einem Zentralklinikum in Aalen verliere der Gmünder Raum. Doch entscheidend sei, was das Ganze kostet.
Gmünder Oberbürgermeister nimmt Stellung im Gemeinderat
Gmünds OB Richard Arnold will sich aktuell nicht zu der Broschüre seines Aalener Kollegen äußern. Er kündigt jedoch eine Stellungnahme dazu in seiner Haushaltsrede am 8. November im Gmünder Gemeinderat an.
Copyright Gmünder Tagespost, 26.10.2023