Kinderklinik in Aalen oder Mutlangen schließen? Kinderärzte auf der Ostalb fürchten Sparrunde auf Kosten kleiner Patienten
Zusammenlegung der Kinderkliniken im Ostalbkreis? Kinder- und Jugendärzte machen sich Sorgen angesichts dieser Idee, wie sie die Grünen-Fraktion im Kreistag formuliert hat. Was aus Sicht der Ärzte alles dagegen spricht.
Schwäbisch Gmünd. „Die Kinderkliniken im Kreis sind rappelvoll, etliche haben sich schon abgemeldet, die Kinder müssen weit verlegt werden.“ Der Mutlanger Kinderarzt Dr. Martin Böttinger, Obmann des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte für Ostwürttemberg, hat die Auslastung der Kinderkliniken in Mutlangen und anderswo sehr genau im Blick. Die ist momentan sehr hoch. „Das war im vergangenen Winter in der Infektsaison auch schon so.“
Umso mehr macht ihm der Vorschlag Sorgen, aus den zwei Kinderkliniken in Mutlangen und Aalen schon vor dem Bau eines Zentralklinikums eine zu machen – um Kosten zu sparen. Das würde Probleme verschärfen, fürchtet der Arzt. Böttinger steht mit seinen Bedenken nicht allein. In einem Brief an Landrat Dr. Joachim Bläse, an Kreisräte und Entscheidungsträger der Kliniken, formulieren Kinder- und Jugendärzte ihren Standpunkt. „Die finanziellen Probleme der Kliniken zuallererst auf Kosten der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, nämlich der Kinder, lösen zu wollen, wäre (…) ein Skandal“, heißt es in dem Schreiben.
Martin Böttinger zählt die Argumente auf, die aus seiner Sicht gegen einen solchen Plan sprechen, wie ihn die Grünen-Fraktion im Kreistag vorgeschlagen hat.
Andere Maßstäbe für Kindermedizin
Eine Klinik für Kinder lässt sich mit den üblichen wirtschaftlichen Maßstäben nicht messen, argumentiert Böttinger. Im Gegensatz zu Abteilungen wie Psychiatrie oder Chirurgie schwanke die Auslastung sehr stark zwischen dem Sommer und Winter mit seinen Infektwellen. Und: Schon jetzt sei es so, dass viele Kinder nicht in der nächstgelegenen Kinderklinik versorgt werden können. „Es ist nicht so, dass wir hier Reserven haben.“ Eine Kinderklinik schreibe immer Defizit, so Böttinger. „Die Stadt Gmünd macht ja auch nicht die Kindergärten zu, obwohl die 20 Millionen Euro im Jahr kosten. Kinder kosten Geld, das ist doch klar. “
Personalprobleme nehmen zu
„Dass das Personal der Klinik hinterherzieht, ist ein Traum von Nicht-Praktikern. Das sind Mangelberufe, die Fachkräfte können sich den Arbeitsplatz aussuchen.“ Angesichts von Arztstellen, die in den Kinderkliniken aktuell nicht besetzt sind und durch Honorarkräfte ausgeglichen werden müssen, sei die Diskussion „schlecht zur Personalgewinnung“, argumentiert Böttinger. „Es ist abschreckend, wenn man droht, den Laden zu schließen.“
Keine Geburtsklinik ohne Kinderklinik
Eine moderne Abteilung für Geburtshilfe mit 1700 Geburten pro Jahr in Mutlangen und 1900 in Aalen sei „ohne eine Kinderklinik vor Ort undenkbar“, argumentiert Böttinger. Denn bei Notfällen komme es auf die Fähigkeit an, schnell reagieren zu können. „Da liegen Welten dazwischen, ob man zu Fuß in drei Minuten im Kreißsaal sein kann oder mit dem Rettungswagen dafür mindestens 30 Minuten braucht.“
Der große Kreis
Sind zwei Kinderkliniken in einem Kreis unüblicher Luxus? Ein Argument für eine Zusammenlegung lautet, dass viele Landkreise in Baden-Württemberg gar keine oder nur eine Kinderklinik haben. Dr. Böttinger hält dagegen: Man müsse auch auf die Größe des Ostalbkreises schauen. „Wir sind ein Flächenkreis. Und Aalen versorgt etwa Nördlingen mit, genauso wie Patienten aus Urbach oder Wäschenbeuren ans Stauferklinikum kommen.“
Gmünd braucht Ausbildung
Die Kinderklinik in Mutlangen ist enorm wichtig für den Nachwuchs an Ärzten und anderen Fachkräften in der Gmünder Region. Sein eigener Werdegang ist kein Einzelfall, argumentiert Böttinger, der in Gmünd einige Jahre Oberarzt in der Klinik war, eher er eine eigene Praxis eröffnet hat. „Auch die für die Personalgewinnung extrem wichtigen Krankenpflegeschulen brauchen obligatorisch eine pädiatrische Abteilung.“
Schreiben an Landrat – und Unterschriftensammlung
Brief an Bläse: Als Sprecher der Kinderärzte hat sich Dr. Martin Böttinger auch mit seinen Argumenten direkt an Landrat Dr. Joachim Bläse gewandt. Der habe versichert, dass dem Landkreis die „Versorgung der Kleinsten“ enorm wichtig sei. Aber auch nicht dementiert, dass eine mögliche Zusammenlegung der Kinderkliniken Teil der Diskussion um Kosteneinsparungen ist. Böttinger: „Laut Landrat werden derzeit Optionen geprüft, und im ersten Halbjahr soll dann entschieden werden.“
Unterschriften in Praxen und Apotheken. „Rettet die Kinderkliniken im Ostalbkreis“ steht über der Unterschriftenliste, die im ganzen Kreis in Praxen und Apotheken ausgelegt werden soll. Und weiter: „Wir fordern für den gesamten Ostalbkreis den Erhalt einer wohnortnahen stationären und ambulanten Versorgung unserer kranken Neugeborenen, Kinder und Jugendlichen. Wir rufen deshalb die Mitglieder des Kreistages dazu auf, beide Kinderklinik in Aalen und Mutlangen bis zur geplanten Inbetriebnahme eines Zentralklinikums im jetzigen vollen Leistungsumfang zu erhalten!
In ein bis zwei Wochen, so Dr. Martin Böttinger, wolle man die Unterschriften übergeben.
Copyright Gmünder Tagespost, 11.01.2024