Meinungen nach Amazon-Infofahrt
Vor zwei Wochen fuhr eine Delegationgemeinsam mit Oberbürgermeister Richard Arnold nach Pforzheim, um sich im dortigen Amazon-Logistikzentrum eingehend zu informieren. Mittlerweile wurde das Thema in den Fraktionen diskutiert. Die RZ hat die Fraktionsvorsitzenden befragt, wie die jeweiligen Parteien nun zur Amazon-Ansiedlung in Gmünd stehen. Die Rems-Zeitung hat die Fraktionsvorsitzenden um Stellungnahme zu folgenden Fragen gebeten: Hat sich an der bisherigen Sichtweise etwas verändert? Wie steht die Fraktion zu einer neuerlichen Diskussion im Gemeinderat? Welche Voraussetzungen bzw. Be-dingungen würde die Fraktion an eine Zustimmung knüpfen? Welche positiven und negativen Aspekte sehen Sie darin, das Amazon-Verteilzentrum in Hussenhofen zu realisieren? CDUAlfred Baumhauer beschreibt die Stimmung in der CDU so: „Die CDU-Fraktion hatte schon bei der Entscheidung im Dezember bestimmte Maßstäbe, an denen wir eine Ansiedlung messen. Flächenverbrauch, Arbeitsplätze, Verkehr und weitere Fragen sind wesentlich, um das Projekt zu bewerten. Dies hat sich auch nicht geändert. Deshalb hätten wir gerne eine konkrete Planung gehabt und wollten dann eine Entscheidung treffen und nicht umgekehrt. Nun wurde Amazon mit seinem Vorhaben klarer und im Vergleich zu ersten Skizzen auch deutlich moderater. Wir stehen Gesprächen mit einem Investor weiterhin offen gegenüber. Wenn die Pläne vorliegen, werden wir entscheiden.“Bündnis 90/Die Grünen Gabriel Baum erklärt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Unsere Sichtweise auf Amazon hat sich nicht geändert. Einerseits halten wir Amazon für einen Konzern, der seine Marktmacht rücksichtslos und auf Kosten seiner Mitarbeiter und der Drittfirmen ausbaut, der ein amerikanisch-kapitalistisches Arbeitgeberverständnis hat und dem der lokale Handel nichts bedeutet. Andererseits wägen wir als Gemeinderäte im Fall eines Bauantrags die Tatsachen zu den relevanten Fragen ab: Zahl und Qualität der Arbeitsplätze, Flächeninanspruchnahme, Auswirkungen auf Umwelt, Klima, den lokalen Handel, Verkehr und Nutzen für das Gemeinwesen, zum Beispiel durch Gewerbesteuerzahlungen. Die Unterstellung eine neuerliche Diskussion sei nötig, weisen wir strikt zurück. Die veränderten Planungen beurteilen wir nach den obengenannten Kriterien. Diese Frage, welche Voraussetzungen bzw. Bedingungen wir an eine Zustimmung knüpfen, stellt sich uns im Moment nicht. Positiv sehen wir: weniger Flächenverbrauch als ursprünglich geplant, Nähe zur Hauptverkehrsachse B 29, Arbeitsplätze. Negativ: Verkehrszunahme, nächtlicher Lieferverkehr mit entsprechendem Lärm, Arbeitsplatzqualität, Verdrängung des lokalen Handels durch same day delivery. “SPDSigrid Heusel: Da Amazon die Rahmen-bedingungen an ein Verteilzentrum im Gmünder Raum verändert hat, wird sich die SPD-Fraktion einer erneuten Diskussion selbstverständlich nicht verweigern. In die Diskussion einbeziehen werden wir auch mögliche Arbeitsplatzverluste im regionalen Einzelhandel und bei Logistikern, wie z. B. DHL. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Höhe der Löhne, die zwar über dem aktuellen Mindestlohn liegen, aber vielen Arbeitnehmern und ihren Fa-milien zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht auskömmlich sein werden. Grundsätzlich wollen wir die Ansiedlung von Unternehmen fördern, die in zu-kunftsorientierte Technologien investieren und langfristig gut bezahlte Arbeitsplätze anbieten. Für die Region benötigen wir eine nachhaltige Umgestaltung des Wirtschaftsstandortes. Auch die Auswirkungen für Anwohner, Natur und Umwelt wurden bisher zu wenig beachtet, denn die Verkehrsbelastung in Hussenhofen oder auch in der Buchstraße wird deutlich zunehmen. Im Onlinehandel sehen wir ein wichtiges Marketinginstrument, aber benötigen wir dafür einen Global Player, der den regionalen Handel abwürgt und unsere Innenstädte gefährdet? Wir erwarten hier regionale Antwor-ten mit Engagement der Einzelhändler und Unterstützung durch Wirtschaftsverbände. Zur Zeit sehen wir keine neuen Argumente für die Ansiedlung von Amazon, werden aber in der Diskussion Pro &Contra sorgfältig abwägen. Die LinkeSebastian Fritz erklärt für die Linke: „Die Besichtigung des Verteilzentrums in Pforzheim brachte keine wesentlich neu-en Erkenntnisse. Es kann nicht schaden, immer wieder aufs Neue die Geschäftspraktiken von Amazon und ihre Konsequenzen vor Augen zu führen. Schön wäre, wenn sich durch diese Diskussionen Menschen davon abhalten ließen, bei Amazon zu bestellen. Wenn der OB will, können wir diese Diskussion gerne jedes Halbjahr führen. Wir haben grundsätzli-che Bedenken, eine Firma zu unterstützen, die nach Ansicht von Analysten unter dem Strich mehr Arbeitsplätze vernichtet als schafft, weil durch den Vormarsch des Online-Riesen Stellen im stationären Einzelhandel verloren gehen. Kurzfristige positive Aspekte (Arbeitsplätze) können die negativen Aspekte bei weitem nicht ausgleichen: Einbußen beim Einzelhandel mit drohenden Arbeitsplatzverlusten; die Weigerung, sich an Ta-rifverträge zu binden; zusätzliches Verkehrsaufkommen, Lärmemissionen (auch nachts), wenn überhaupt, minimale Gewerbesteuereinnahmen, Flächenverbrauch – mit mittel- und langfristigen negativen ökologischen und sozialen Folgen, lokal, regional, aber auch global. Die Ansiedlung von Amazon bei uns stünde zudem in krassem Widerspruch zur Strategie für eine kommunale Entwicklung und zu den 17 Nachhaltigkeitszielen, zu denen sich Schwäbisch Gmünd bekannt hat.Freie Wähler Frauen Karin Rauscher erläutert die Haltung der Fraktion Freie Wähler Frauen: „Nach der Besichtigung des Logistikzentrums in Pforzheim stehen wir der Ansiedlung eines Verteilzentrums von Amazon in Schwäbisch Gmünd aufgeschlossener gegenüber als bei der Präsentation im Verwaltungsausschuss im Dezember. Der vorgestellte Standort im Benzfeld erscheint uns als durchaus geeignet hierfür. Seit der Vorstellung des Projekts haben sich die Rahmenbedingungen für eine Ansiedlung in mehreren Punkten verändert. Nach unserer Ansicht ist durch die Corona-Krise die Schaffung von Arbeitsplätzen für gering qualifizierte Arbeitnehmer dringlicher geworden. Für uns ist die Verkehrsbelastung nach wie vor ein wichtiges Thema. Das von Amazon angesprochene Verkehrsgutachten muss bereits im Vorfeld einer Entscheidung auf den Tisch. Für die weitere Diskussion ist es nach unserer Ansicht erforderlich, auch mit den örtlichen Händlern (HGV)Kontakt aufzunehmen. Amazon als amerikanischer Konzern ist geprägt von der Firmenphilosophie der größtmöglichen unternehmerischen Flexibilität. Dies wird neben der fehlenden Tarifbindungauch in dem Umstand deutlich, dass Amazon kein Grundeigentum im Benzfeld erwerben möchte, sondern nur anmietet. Dem unserer Fraktion noch unbekannten Projektentwickler kommt daher eine besondere Bedeutung zu, insbesondere ist auf den ökologischen Standart der Gebäude und sonstige ökologische Maßnahmen zu achten. Für die Ansiedlung im Benzfeld/Hussenhofen spricht die gute Anbindung an die B 29. Die Bürgerliste Alexander Hamler vertritt den Fraktions-vorsitzenden Ullrich Lothar Dombrowskiund gibt folgende Stellungnahme für die Bürgerliste ab: „Wir stehen allen Unternehmen, die sich in GD niederlassen wollen und Arbeitsplätze stellen, offen gegenüber. Natürlich kann und wird über die Größe und Lage des Standortes diskutiert werden müssen. Was unsere Arbeitgeber in GD angeht, müssen wir uns möglichst breit aufstellen, damit wir bei konjunkturellen Schwankungen nicht zu sehr verletzbar sind. Für uns ist der Dialog mit möglichst vielen Bürgern und Gewerbe-treibenden in GD sehr wichtig. Wenn ein neues Gebäude gebaut werden soll, ist uns die Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit des Gebäudes sehr wichtig.D. h. extensive Dachbegrünung und PV-Anlagen sowie eine Möglichkeit, den Fuhrpark mit E-Fahrzeugen auszustatten, sehen wir als zukunftsweisend und werden dies auch so empfehlen. Die An-siedlung am Verteiler in Hussenhofen halten wir für denkbar, eine relativ nahe und einfache Anbindung an die B 29 wäre möglich. Eine spürbare Mehrbelastung für den Ortsteil Hussenhofen sehen wir aktuell nicht. Im Zuge der weiteren Planung, müsste dies explizit mit dem Ortschaftsrat besprochen werden. Was wir auf jeden Fall begrüßen, ist, dass hier neue Arbeitsplätze mit relativ geringen Einstiegshürden geschaffen werden und somit auch Menschen mit wenig oder auch keiner Ausbildung die Chance erhalten, einen Arbeitsplatz zu bekommen. FDPPeter Vatheuer als FDP-Stadtrat sagt: „Wir stehen der Ansiedlung von Amazon offen gegenüber. Hauptargument ist die Gewinnung von Arbeitsplätzen, gerade im geringqualifizierten Bereich. Natürlich kann Amazon Bosch nicht ersetzen,aber es kann ein Baustein sein. Negative Auswirkungen für den Gmünder Einzelhandel sind nicht zu befürchten. Ob ein Amazon-Verteilzentrum im Benzfeld steht oder nicht, hat auf das Kaufverhalten der Menschen keinen Einfluss. Online bestellte Ware findet so oder so ihren Weg zum Kunden. Um den Einzelhandel vor Ort zu stärken, bedarf es anderer Strategien. Schließlich wäre die Lage im Benzfeld verkehrstechnisch ideal und die Auswirkungen auf Natur und Umwelt verhältnismäßig gering, nicht zuletzt aufgrund der sich bei Amazon immer stärker durchsetzenden E-Mobilität.“
Copyright Rems Zeitung, 1.8.2020