Nabu: Flächenverbrauch ist zu hoch
Armin Dammenmiller und Walter Beck kritisieren als Vertreter des Naturschutzbundes die Ausweisungen von immer mehr Gewerbe- und Wohngebieten.
Schwäbisch Gmünd. Eine ihrer größten Sorgen ist der Verbrauch von Flächen. Der ist ihnen zu groß. Viel zu groß. Deshalb verfolgen Armin Dammenmiller, Kreisvorsitzender des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), und Walter Beck, beim Gmünder NABU für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, die derzeitige Diskussion der Gmünder Stadträte über den Flächennutzungsplan mit großer Aufmerksamkeit. Ständig sei dieser Plan in Veränderung, ob des Gewerbegebietes Straßdorf-Süd wegen, ob des Technologieparks Aspen wegen. Insbesondere ein Dorn im Auge ist Dammenmiller dabei das „Kirchturmdenken“ der Stadtteile. Deren individuelles Ausweisen von Flächen als Gewerbegebiete sei „aus der Zeit geraten“. Dies gelte auch für Wohngebiete, sagt Beck und ergänzt: „186 Hektar für Wohn- und Gewerbeflächen – wie will man da Ziele erreichen?“
Beck und Dammenmiller kritisieren die dabei gängige Argumentationslinie: Immer würden Arbeitsplätze ins Feld geführt. Doch man solle sich einmal das Verhältnis zwischen der verbrauchten Fläche auf dem Gügling und den dort entstandenen Arbeitsplätzen anschauen. „Dies ist kein gutes Verhältnis“, sagt der NABU-Kreisvorsitzende. Auch stellt er in Frage, ob aus diesen Investitionen genügend Gewerbe- oder Einkommensteuer ins Stadtsäckel fließe. Auf der Basis dieser Erfahrungen äußern Dammenmiller und Beck die Befürchtung, „dass aus Aspen ein ganz normales Gewerbegebiet wird“, kein innovatives.
Die beiden NABU-Mitglieder wollen aber nicht nur meckern. Sie machen auch Vorschläge, was aus ihrer Sicht zu tun ist. Zuallererst gehe es darum, den Wissenschaftsstandort Schwäbisch Gmünd zu stärken. Denn Unternehmen lassen sich erfahrungsgemäß gern in der Nähe von Forschung nieder. Dammenmiller und Beck nehmen dabei wahr, dass aus einem kleinen Teil des Gemeinderates eine gleich lautende Forderung kommt, zum Beispiel über einen Ausbau der Hochschule Aalen in Richtung Gmünd. Ein weiterer Punkt: Aus der bisherigen einseitigen wirtschaftlichen Ausrichtung Gmünds auf die Automobilindustrie gebe es in der Stadt leerstehende Hallen. Diese müssten zuerst genutzt werden. So verstehen Dammenmiller und Beck nicht, weshalb sich ein Bauunternehmen auf einer Agrarfläche bei Herlikofen angesiedelt habe und nicht auf einer Industriebrache in Gmünd. Das Gebiet sei bestes Ackerland, ohne jegliche Abgrenzung in Form einer Feldhecke zum Beispiel. Auch in den Orten gebe es viele leerstehende Flächen für eine Wohnbebauung. Dennoch wiesen viele Stadtteile und selbstständige Gemeinden Flächen zur Wohnbebauung am Ortsrand aus.
Besonders enttäuscht sind Beck und Dammenmiller vom Biodiversitätsstärkungsgesetz des Landes. Dieses Gesetz habe die Landesregierung 2019 „aus Angst vor einem Bürgerentscheid“ erlassen. Bürger hatten damals, nach bayrischem Vorbild, ein Volksbegehren „Rettet die Bienen“ angestrengt. Bevor es dazu kam, einigten sich die Bürger und die Vertreter der privaten Naturschutzverbände jedoch mit der Landesregierung über konkrete Punkte einer Gesetzesnovelle. Dazu gehörten zum Beispiel, dass die ökologische Landwirtschaft bis 2030 auf 30 bis 40 Prozent ausgebaut werde. Dass chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 40 bis 50 Prozent verringert würden. Dass Streuobstbestände erhalten blieben. Dass landwirtschaftliche Flächen geschützt würden. Dammenmiller und Beck kritisieren, dass ein Drittel der Maßnahmen dieser Gesetzesnovelle nicht da sei, ein weiteres Drittel sei nicht umgesetzt bzw. in der Verwaltung gar nicht angekommen ist. Stattdessen nehmen sie einen „fortgesetzten und beschleunigten, dramatischen Verlust an Lebensraum für Insekten“ wahr. Man sehe keine Schmetterlinge mehr, man sehe in Teilen zu viel Löwenzahn, ein „Zeichen von Überdüngung“, und, wenn es hart kommt, nur noch „riesige“ Flächen im Grünland mit Weidel- und Schwengelgras, gefördert mit Beratung der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Aulendorf. Biodiversität sehe anders aus. Dies formuliere auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann so. Aber „da kommt nichts“.
Gleiches kritisieren sie bei Grünen-Chefin Ricarda Lang. Sie nehme ihr Mandat für den Wahlkreis Gmünd / Backnang nicht wahr, sagt Dammenmiller. Mehrfach habe er an Lang geschrieben. Habe aber „nicht mal eine Antwort bekommen“. Dieses werde sich in den Wahlergebnissen der Grünen niederschlagen, sagt der NABU-Kreisvorsitzende. Denn viele NABU-Mitglieder seien Grünen-Wähler. Es habe bisher keinen Versuch von Seiten der Grünen Bundestagsabgeordneten gegeben, auf den privaten Naturschutz einzugehen, das zeige sich in der beschlossenen Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes zum Thema Artenschutz. Dabei haben Beck und Dammenmiller dazu viele Vorschläge: Biotope zu verbinden, diesen Ratschlag haben sie der Stadt Gmünd gegeben. Mehr „Stadtbegleitgrün“ zu schaffen, ist ein weiterer. Wissen über Arten-, Natur- und Landschaftsschutz über die Schulen zu vermitteln, ein dritter Punkt. Denn die Menschen, sagen Armin Dammenmiller und Walter Beck, schützen die Natur nur, wenn sie um deren Bedrohung wissen. Seien ihnen aber die Zusammenhänge schon als Kinder und Schüler nicht vermittelt worden, „entsteht eine Generation, die ohne Bezug zu ihrer Umwelt lebt, agiert und entsprechend handelt“.
Nicht zuletzt regen die beiden NABU-Mitglieder an, Straßenränder und Dächer viel mehr für Photovoltaik zu nutzen. Die Stadt Gmünd argumentiere, man könne den Unternehmen höhere Kosten nicht zumuten, sagt Dammenmiller. Und verweist zum Beispiel auf Kärcher in Winnenden oder Mader in Leinfelden-Echterdingen, wo dies gehe. Auch entspreche der Park am Bahndamm in Böbingen viel mehr der Biodiversität und dem Artenschutz als der Remspark, sagt der NABU-Kreischef. Viele Ansatzpunkte also, für die sich Dammenmiller und Beck mehr offene Ohren wünschen. Und, wenn nicht dies, dann wenigstens die Bereitschaft zum konstruktiven Austausch darüber.