Ostalb-Landwirte gegen Flächenfraß: „Irgendwann ist es existenzbedrohend“
Der Flächenverbrauch plagt die Bauern – Vertreter des Bauernverbands diskutieren mit Gemeinderäten die Lage und was getan werden kann.
Schwäbisch Gmünd
Wir müssen hin zur Mehrfachnutzung von Fläche: unten Verkaufsflächen, darüber Wohnungen, auf dem Dach dann Photovoltaik“, findet Hubert Kucher, der Vorsitzende des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim.
Kucher war gemeinsam mit Verbandsgeschäftsführer Johannes Strauß und Vorstandsmitglied Michael Weber in Gmünd, um Gemeinderäten im Verwaltungs- und im Bauausschuss die Lage der Landwirtschaft zu schildern. Und um „Forderungen“, so war Strauß‘ Vortrag überschrieben, zu formulieren. Ein Dauerproblem für die Landwirte ist der fortschreitende Flächenverbrauch der Gesellschaft, das machten Strauß und Kucher deutlich. „Fläche ist die Grundlage unseres Lebens, ohne Fläche geht nichts. Wir müssen so gut wie möglich damit umgehen“, sagte Kucher. „Wenn so viele Flächen wie bei Aspen weggenommen werden, dann ist das irgendwann existenzbedrohend“, fügte Michael Weber hinzu.
Um den Flächenfraß zu vermindern, sehen die Landwirte viele Ansatzpunkte:
Mehrfachnutzung von Flächen (zum Beispiel Wohnen auf Supermärkten oder Photovoltaik auf Parkplätzen)
Zuschüsse für den Abriss von Altgebäuden, um Bauen ohne neuen Flächenverbrauch attraktiver zu machen
Ökologische Ausgleichsmaßnahmen statt auf landwirtschaftlichen Flächen in den Baugebieten selbst. „Wieso sollte ein Bauherr nicht selbst eine Ausgleichsmaßnahme vornehmen – mit von Blühstreifen und Hecken in privaten Gärten?“, meinte Johannes Strauß.
Solare Stromgewinnung vorrangig auf Gebäuden
Stromeinsparung sollte in allen Bereichen oberste Priorität haben
Unter den „Schutzgütern“ etwa beim Bau von Freiflächenphotovoltaikanlagen in der „langen Liste“ (Strauß) nicht nur Naturschutz, Denkmalschutz und einiges mehr aufnehmen. Johannes Strauß: „Leider müssen wir feststellen, dass die Landwirtschaft nicht berücksichtigt wird, obwohl sie die Ernährung sichert.“
Der Besuch ging auf Initiative der Linken und der Grünen zurück, deren Fraktionen hatten beantragt, Bauernvertreter zur Information und Diskussion einzuladen. Auch weil das Thema Fläche gerade breit diskutiert wird in Gmünd. Linken-Fraktionsvorsitzender Sebastian Fritz erinnerte an den Koalitionsvertrag der Landesregierung, dort gebe es eine Absichtserklärung zur Begrenzung des Flächenverbrauchs. „Da wären wir in Gmünd aktuell, wenn wir den Flächennutzungsplan so beschließen, um ein Vielfaches drüber.“
Johannes Strauß rechnete die Verluste aus der letzten Zeit vor: „Wir haben 63 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche verloren in Baden-Württemberg innerhalb von 20 Jahren.“ Das seien umgerechnet 126 000 Fußballfelder. Im Ostalbkreis sei der Rückgang in diesem Zeitraum prozentual noch größer gewesen als im Landesschnitt: minus 4,7 Prozent im Vergleich zu landesweiten 3,8 Prozent. Während das Landeswaldgesetz dafür sorge, das Waldflächen erhalten bleibe, gehe der Verbrauch an Fläche immer zu Lasten der Landwirte und ihrer Äcker und Wiesen. „Wir beneiden die Waldbesitzer“, so Strauß. „Und es werden zu unserem Unmut in der Regel immer die besten Böden bebaut – die in Tallage. Die steilen Hänge mit Grünland bleiben in der Regel übrig.“ Die Landwirte wollten „nicht die Entwicklung behindern“, so Strauß, „aber das macht uns natürlich große Sorge“.
Hubert Kucher wies auf die gesellschaftlich wichtige Aufgabe von ihm und seinen Berufskollegen hin: Seit dem Krieg in der Ukraine sei das Thema Ernährungssicherheit wieder mehr in Bewusstsein gerückt. „Die Landwirtschaft in Deutschland ist nicht mehr in der Lage, die Menschen zu 100 Prozent zu versorgen.“ Bei Obst und Gemüse liege der Eigenanteil nur bei 25 Prozent, bei Eiern seien es 50, bei Kartoffeln 40 Prozent. „Wir leisten es uns, dass wir aus Ägypten Bio-Kartoffeln einkaufen“, so Kucher.
Was sich die Gesellschaft nicht mehr leisten darf aus Sicht der Ostalb-Landwirte: die bisherige Geschwindigkeit des Flächenverbrauchs beizubehalten. Johannes Strauß: „Wenn der Boden einmal versiegelt ist, dann ist das in der Regel endgültig.“
Minus 4,7 Prozent in 20 Jahren: Flächenfraß in Zahlen
Das Minus im Kreis: Die Fläche für landwirtschaftliche Felder im Ostalbkreis ist in den letzten 20 Jahren um fast 3500 Hektar (das entspricht rund 7000 Fußballplätzen) kleiner geworden – ein Rückgang von 4,7 Prozent.
Geplant in Gmünd: In der Diskussion des neuen Flächennutzungsplans für Gmünd sind derzeit 82 Hektar für Wohnbau vorgesehen, 89 Hektar für Gewerbe flächen (davon rund ein Drittel für den Technologiepark Aspen), außerdem gemeinsam mit Waldstetten 121 Hektar für Photovoltaik- Potenziale. Diese Zahlen nannte Gerhard Hacker, Leiter des Amts für Stadtentwicklung. Ab Februar werde es eine Bürgerbeteiligung geben, so Hackner.
Copyright Gmünder Tagespost, 26.01.2023