Südstadt: Eltern bangen um ihre Kinder

Aus der heutigen Rems Zeitung: Verkehr: Das Nein des Gemeinderats zur Fahrradstraße in der Klarenbergstraße treibt die Menschen in der Gmünder Südstadt um. Zu einem Themenabend des Vereins s.ö.l. kamen am Montag ungefähr 50 Befürworter des Umbaus, darunter auch einige Eltern schulplichtiger Kinder.
SCHWÄBISCH GMÜND. „Als Fünfjährige kriegst du es einfach noch nicht jedes Mal hin, genau in der Querungshilfe anzuhalten“, schildert im fast bis auf den letzten Platz gefüllten Café Bunter Hund ein junger Vater. Täglich führe der Weg zum Kindergarten seine Tochter und ihn über die
Klarenberg- und die Einmündung in die Gutenbergstraße. Und besagte Querungshilfe. Um das Risiko eines Unfalls zu verringern, seien sie inzwischen dazu übergegangen, den Radfahrstreifen mitzunutzen. Doch das bringe gar nicht mal so viel mehr Sicherheit. „Da muss ich mich jetzt immer
schützend vor meine Tochter stellen, weil Autos auf die Radspur ausscheren, um mit 50 die Kurve kratzen zu können.“ 30 km/h sind an dieser Stelle höchstens erlaubt. Wie für diese beiden, gehört die Klarenbergstraße für viele zur täglichen Route zur Schule oder dem Kindergarten. Eines der Argumente, warum sich viele Bürgerinnen und Bürger in der Südstadt an dieser Stelle eine Fahrradstraße wünschen, die gänzlich dem Radverkehr vorbehalten ist. Gerade das letzte Stück zur Gutenbergstraße hin sei sehr schmal, gibt eine junge Mutter zu bedenken, die dort regelmäßig auf dem Fahrrad mit Anhänger unterwegs ist. „So viel Platz“, sagt sie und deutet mit ihren Händen einen Abstand von höchstens zehn Zentimetern an, sei jüngst noch zwischen dem Anhänger und einem entgegenkommenden Lastwagen gewesen.
Einig sind sich die Versammelten an diesem Abend in ihrer Unzufriedenheit mit der Entscheidung des Gmünder Gemeinderats, der dem Projekt Fahrradstraße in der Klarenbergstraße vergangene Woche eine Absage erteilt hatte. Damit, sagt Sebastian Fritz, Vorsitzender der SÖL-Fraktion im
Gemeinderat, werde die jahrelange Bürgerbeteiligung zu dem Thema ignoriert – sei die Idee einer Fahrradstraße doch im Südstadtforum einstimmig begrüßt worden.
„Wir versuchen es im Konsensprinzip zu machen“, so Fritz. Jeder habe die Möglichkeit gehabt, Bedenken zu äußern – etwa auch zum Thema Parken –, und man habe sich bemüht, diese Bedenken aufzulösen. Dass die CDU-Fraktion nun geschlossen gegen das Vorhaben stimmte und dieses
dadurch mit 17 zu 27 Stimmen scheitern ließ, kann sich der SÖL-Politiker nur damit erklären, dass sich die Sache innerhalb der Fraktion „verselbstständigt“ habe.
„Es ging nicht um Argumente, nicht um Interessen“, urteilt „Fahrradkurier“ Volker Nick, „es war ein Kulturkampf.“ Während ein Teil der Bevölkerung im Klimaschutz eine Notwendigkeit sehe, sage eine andere Gruppe: „Leck mich am A…, was geht mich das Klima an?“ Diese Gruppe sei groß, und sie wachse weiter. Nick stellt die Frage in den Raum, ob die Fahrradstraße derzeit
mehrheitsfähig sei. „Ich sehe große Bedenken, dass wir da zurzeit am Zug sind.“
Hanspeter Weiss, der Vorsitzende des Fördervereins Südstadt, nennt die Ratsentscheidung einen „Schlag ins Gesicht der Ehrenamtlichen“, die sich über Jahre hinweg kundig gemacht, für das Projekt engagiert und dieses geschlossen befürwortet hätten. „Hier halten 25 Ehrenamtliche ein
Quartier mit 4000 Einwohnern am Laufen“, ordnet er ein und will wissen: „Gibt es eine Möglichkeit, dass wir auf die Straße gehen? Können wir vielleicht mit Critical Mass etwas Größeres veranstalten?“
Potenzial für eine Aktion sieht Dario Thiem, der OB-Kandidat der Grünen. „Vor der Bundestagswahl hätten wir jetzt den Schwung, um etwas auf die Beine zu stellen“, schätzt er. Der Abend zeigt: Nicht nur Rad-Aktivisten, auch ganz normale Leute aus der Südstadt wünschen sich die Fahrradstraße. „Wir sind einfach Familien, von denen sich die meisten wohl der bürgerlichen Mitte zurechnen würden“, sagt die junge Mutter mit dem Fahrrad-Anhänger.
Copyright Rems Zeitung, 12.02.2025