Thema Klinik: Vorträge – Fragen – Kritik
Gemeinderat: Wie sieht die Zukunft der Kliniken im Ostalbkreis aus? Weil es darauf noch keine verbindliche Antwort gibt, sprach Landrat
Bläse im Gmünder Gemeinderat über bekannte Fakten und offene Fragen. Die Gmünder Position unisono: Das Stauferklinikum muss bleiben.
SCHWÄBISCH GMÜND. „Wir brauchen mehr Zeit!“ Diese Aussage war am Mittwoch in der Gemeinderatssitzung im Leutze-Saal mehrfach zu hören – auch von Oberbürgermeister Richard Arnold. Allein die Beratung dieses Tagesordnungspunkts nahm geschlagene drei Stunden und 15 Minuten in Anspruch. Ein Zeichen, wie groß das Bedürfnis nach ausführlicher Information und Diskussion ist. Quer durch alle Fraktion war man sich einig, dass es nicht sein dürfe, nun einen Alibi-Bürgerdialog zu führen und am Ende eine bereits vorab feststehende Variante durchzudrücken.
Die nun beginnende öffentliche Diskussion müsse ergebnisoffen geführt werden. Ein klares Nein gab es von allen Fraktionen zu einer eventuellen Degradierung des Stauferklinikums zum „Gesundheitscampus“ mit stark reduziertem medizinischen Versorgungsangebot. Offenbar erweckte dieses Wort den Eindruck, dass vom Stauferklinikum (so wie einst vom Margariten- Hospital) dann nur noch eine Art „Ärztehaus“ übrig bleibe. Der Landrat relativierte diesen von ihm selbst erdachten Begriff und versicherte, dass das Stauferklinikum eine Klinik bleiben werde und dass man deshalb die neue zentrale Notaufnahme auch künftig dort brauchen werden. Doch der Reihe nach: Landrat Bläse wies eingangs darauf hin, dass es aktuell nicht allein um die Kliniken gehe, sondern um die Zukunft der gesamten medizinischen Versorgung im Ostalbkreis. Angesichts dessen, dass im Gmünder Raum rund 40 Prozent der niedergelassenen Ärzte älter als 60 Jahre seien, drohe ein massiver Mangel an Medizinern vor Ort. Die aktuell – statistisch betrachtet – noch recht ordentliche Versorgung werde sich relativieren. Zumal die Gewinnung von jungen Ärzten schwierig sei. Unterm Strich gehe es in der Planung des Ostalbkreis um eines: Bürgerinnen und Bürger, die krank sind, brauchen einen Arzt. Wer dafür letztlich politisch zuständig ist, sei den Patienten dann egal. Bläse untermauerte, dass es bei der Entscheidungsfindung um eine objektive Sachlage gehe. Er müsse also handeln, ob es ihm gefalle oder nicht. Ein Problem zu ignorieren und einfach nichts zu tun, sei nicht zielführend. Es sei sehr viel besser, zu handeln solange man es noch könne. Prof. Dr. Ulrich Solzbach, Vorstandsvorsitzender der Kliniken Ostalb, erinnerte daran, dass er vor fast genau einem Jahr bereits im Leutze-Saal dem Gmünder Gemeinderat zu diesem Thema Rede und Antwort gestanden habe. Manches würde er heute nicht mehr so sagen wie damals, räumte der Mediziner ein, dass sich seither einige Rahmenbedingungen verändert haben. Keinen Hehl machte er aber nach wie vor daraus, dass er heilfroh über die öffentliche Trägerschaft der Kliniken im Ostalbkreis sei. Die aktuelle Zahl von Ärzten sowie die Belegschaft beim Pflegepersonal sorge schon schon jetzt für massive Probleme bei der Aufrechterhaltung des Klinikbetriebs. 140 Betten stehen im Ostalbkreis leer, weil
des Personal nicht ausreichend vorhanden sei; und selbst teure externe Honorarkräfte seien kaum noch verfügbar. Um solche tollen Einrichtungen wie das Mutlanger Onkologie-Zentrum und andere im Ostalkreis zu erhalten, sei der Krankenhausträger zur Bündelung der Angebote an bestimmten Standorten gezwungen. Denn wenn die nötigen Fallzahlen nicht erreicht werden, dürfe man diese Leistungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht mehr anbieten. Statt überall alles zu haben, müsse an einzelnen Standorten daher eine Spezialisierung erfolgen, so Solzbach. Ärzte aus dem Stauferklinikum bestätigten Solzbachs Ausführungen – wobei betont wurde, dass niemand aus der Ärzteschaft diese Strukturveränderung wolle.
Federführend seien aber weder der Kreis noch das Land. Der Schuh drücke von außen; sprich der Krankenhausträger werde von Direktiven auf Bundesebene dazu gezwungen. Allerdings sei nicht alles schlecht, was sich aus der Strukturveränderung ergibt. Dr. Jens Mayer, Chirurg im Stauferklinikum, unterstrich, dass er nicht zurück wolle zu einer Medizin ohne Zertiizierung. Es sei nämlich nachgewiesen, dass Menschen, die in einem zertifizierten Krebszentrum behandelt werden, auch länger leben.
Dr. Erhard Bode als Sprecher aller Ärztinnen und Ärzte im Raum Gmünd (nicht nur der niedergelassenen, wie er betonte, sondern auch der Klinikärzte) plädierte zwar ebenfalls für die Spezialisierung der Standorte, aber für die Notfallversorgung dürfe diese nicht gelten. Ein zentraler
Standort für eine Notfallklinik bedeute aufgrund der Entfernungen längere Fahrtzeiten für den Rettungsdienst. Dies werde den ebenfalls von Personalmangel betroffenen Rettungsdienst überfordern. „Reißen wir also keine Lücken auf, die wir hinterher nicht schließen können!“, appellierte
Dr. Bode. Zudem sagte der Arzt, dass aktuelle Patientenzahlen auch daher rühren, dass Menschen aus den angrenzenden Bereichen wie Welzheim oder Gaildorf nach Mutlangen kommen. Verlagere man den Standort nach Essingen, bleiben diese Patienten vermutlich weg. „Und dann haben wir womöglich auch am neuen Standort nicht die erforderlichen Fallzahlen!“ Seine persönliche Meinung: Das Stauferklinikum – schon jetzt das größte
Haus im Kreis – ausbauen. Platz sei vorhanden. Sowohl seitens der Mitglieder des Gemeinderats als auch vom Publikum gab es dafür viel Beifall und „Bravo“-Rufe.
Ein „Weiter so“ könne es nicht geben, räumte Daniela Dinser (CDU) ein, aber an oberster Stelle bei der Entscheidung müsse das Wohl der Patienten stehen. Auch der Erhalt der Plegeschule in Mutlangen dürfe angesichts des Fachkräftemangels nicht zur Disposition stehen. Ärztin Dr. Ina Neufeld
(Grüne) sprach sich für eine gute und sichere wohnortnahe Versorgung für die häuig vorkommenden Krankheitsbilder und Notfälle aus. Große Kliniken seien nicht automatisch besser und wirtschaftlicher, sagte sie und sprach sich für zwei Standorte im Kreis aus – durchaus mit sinnvollen Spezialisierungen. „Aber Bitte nehmen Sie uns das Stauferklinikum nicht.
Das wäre eine Katastrophe!“
Tim-Luka Schwab (SPD) erinnerte an die vielen Unterschriften für den Erhalt des Stauferklinikums und dankte Dr. Bode für die klaren Worte. Die Grundversorgung müsse künftig einen noch höheren Stellenwert bekommen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Ausgangspunkt für die
Überlegungen sei ja das großes Deizit gewesen – und er bezweile, dass ein teurer Neubau wirtschaftlicher wäre.
Sebastian Fritz (Linke) zeigte sich sehr enttäuscht davon, dass der weitere Verlauf der Entscheidung wohl bereits vorgegeben sei und die Bürgerbeteiligung nun nur aufgrund des Drucks nachgeschoben werde. Es sei absolut nicht nachvollziehbar, warum der drittgrößte Flächenlandkreis in Baden-Württemberg mit nur einem Zentralklinikum auskommen soll.
Zahnärztin Dr. Constance Schwarzkopf-Streit (Freie Wähler Frauen) verwies darauf, dass schon jetzt die Notaufnahme im Stauferklinik meistens überlastet sei und sich Ärzte oft im Zwiespalt zwischen dem medizinisch Besten und dem Einhalten von Vorgaben bei den. Auch sie forderte einen Ausbau des Stauferklinikums.
Brigitte Abele (Bürgerliste) sprach davon, dass es in der Bevölkerung einen sehr großen Konsens für den Erhalt des Stauferklinikums gebe. Die Erreichbarkeit eines Zentralklinikums in Essingen innerhalb von 30 Minuten sei vom westlichen Teil des Ostalbkreises nicht gegeben. Dr. Peter Vatheuer (FDP) mahnte an, dass die Stadt Gmünd bei dieser Entscheidung nicht der Verlierer sein dürfe. Natürlich seien gesetzliche Vorgaben einzuhalten, aber es sei erforderlich, in der Klinikdiskussion auch kreisübergreifend zu denken. Ein Zentralklinikum bei Essingen sei
jedenfalls keine akzeptable Lösung.
Copyright Rems Zeitung, 09.03.2023