Rund 150 Menschen beteiligen sich am Samstagvormittag an einer Mahnwache auf dem Johannisplatz für die Opfer des Terroranschlags von Hanau. Redner gedachten dabei nicht nur der Toten, sondern machten auch Staat und Gesellschaft mitverantwortlich für diese Tat, bei der nach ersten Erkenntnissen ein Mann neun Menschen sowie sich selbst und seine Mutter getötet hat.
„Ein zu hoher Preis“
Die Initiative zu der Mahnwache war vom Gmünder Arbeitskreis Asyl ausgegangen. „Dieser brutale Anschlag gilt uns allen“, begründete AK-Vorstandsmitglied Dr. Helmut Zehnder die Mahnwache. „Wie konnte es dazu kommen“, fragte Kirsten Helmecke im Namen des Arbeitskreises. Rechtsextremes Gedankengut sei „Mainstream“ geworden – auch dank der Akzeptanz in weiten Teilen der Gesellschaft. Es gebe ein Netzwerk auch in Parteien und öffentlichen Institutionen, das diesen Rechtsterror begünstige. „Wer das nicht sieht, macht sich mitschuld“, sagte Helmecke, die ebenfalls dem Vorstand des Arbeitskreises angehört. Sie forderte von den Behörden radikale Aufklärung und Information. Es gebe zwar ein Umdenken, die Todesopfer von Hanau seien jedoch „ein zu hoher Preis“. Für diesen Preis seien „wir alle mitverantwortlich“.
Ann-Katrin Lauer von der Gruppe „Offenes politisches Treffen“ Schwäbisch Gmünd. verlas die Namen der neun Menschen, die bei dem Attentat in der Hanuer Innenstadt ermordet worden waren. Es sei der dritte nationalsozialistische Anschlag innerhalb von neun Monaten und der aktuellste Eintrag in einer langen Liste der Gewalt gewesen. Ann-Katrin Lauer reihte in diese Liste auch die Gruppe ein, die jüngst bei Razzien ausgehoben worden war, nachdem sie sich, in Alfdorf, nur wenige Kilometer von Gmünd entfernt, getroffen hatte, um den bisherigen Berichten zufolge Deutschland mit blutigen Anschlägen zu destabilisieren.
Zwar äußerten sich nach der Bluttat von Hanau zahlreiche Politiker bestürzt, doch „gleichzeitig geht es weiter wie bisher“. Weiterhin werde, so Lauer, „die Gefahr von Nazis und den geistigen Brandstiftern der AfD nicht ernst genommen“. Politik und Ermittlungsbehörden versuchten das Ausmaß des rechten Terrors zu verschleiern. Stets würden die Taten verwirrten einzeltätern zugeschrieben, statt deren Einbindung in ein rechtsextremes Netzwerk klar zu benennen – ein Netzwerk, das auch in Politik, Verfassungsschutz, Polizei und Bundeswehr hineinreiche. Gleichzeitig setzten die Ermittlungsbehörden antifaschistische Kräfte mit Rechtsterroristen gleich.
Für jedes der Opfer von Hanau war auf dem Johannisplatz eine Kerze entzündet worden. Mit fünf Minuten Schweigen gedachten die Teilnehmer der Mahnwache der Toten. Der Gmünder Musiker Stanislaus Müller-Härlin umrahmte das Treffen mit seiner Geige musikalisch.