„Wenn Fußgängerzone, dann bitte richtig“
Innenstadt: Die geplanten Änderungen in den Schmiedgassen erregen die Gemüter. Ein geteiltes Echo gibt es besonders zu den zusätzlichen Parkplätzen, während beim Thema Busse eine kurzfristige Lösung gefordert wird. Eine Fraktion reicht einen Fragenkatalog im Rathaus ein.
SCHWÄBISCH GMÜND. Was läuft schief in den Schmiedgassen? Ein Blick in die Vordere Schmiedgasse an einem Mittwochnachmittag genügt: Vorm Café Mikro sitzen sich die Gäste fast gegenseitig auf dem Schoß, um die letzten Sonnenstrahlen des noch zaghaften Frühlingstags zu genießen,
während die komplett bestuhlte Terrasse auf der anderen Straßenseite leer bleibt. Denn die liegt im Schatten. Alle paar Minuten fährt ein Bus, manchmal sind es auch gleich zwei oder drei, kaum mehr als eine Armlänge entfernt an den Cafégästen vorbei. Sieht so das Gmünder Savoir-vivre aus? „Drinnen war halt kein Platz mehr“, begründet eine Gmünderin ihre Sitzwahl.
Vor Wochenfrist hatte die Stadtverwaltung im Rahmen eines Forums im City Center über geplante Änderungen in den Schmiedgassen informiert. Mit ihnen soll die Zeit ein Stück weit zurückgedreht werden: Unter anderem sollen die erwähnten Terrassen in der Vorderen Schmiedgasse – jedoch nicht in der Hinteren – verschwinden und der frei werdende Raum wieder als Parkplätze genutzt werden. Es habe unterschiedliche Reaktionen aus der Bürgerschaft auf die angekündigten Neuerungen gegeben, legt Sebastian Fritz, Vorsitzender der Fraktion sozial.ökologisch.links (söl) im Gmünder Gemeinderat, dar. „Mit zum Teil großem Bedauern wurde die Aufhebung der aktuellen Regelung aufgenommen“, berichtet er. Zugleich werde die Notwendigkeit einer Neuregelung des öffentlichen Nahverkehrs durchaus gesehen. Um die Diskussion voranzutreiben, hat die Fraktion einen Fragenkatalog per E-Mail bei Oberbürgermeister Arnold eingereicht und sich unter anderem danach erkundigt, ob das Thema vor dem Rückbau nochmals im Gemeinderat behandelt werde und mit welchen kurzfristigen Maßnahmen die
Problemstellung des ÖPNV umgehend konstruktiv angegangen werden könne.
Eine Lösung für den ÖPNV zu inden, sei bereits vor Start des Projekts in den Schmiedgassen in der Corona-Zeit, die damit als erster Abschnitt des Projekts „Lebenswerte Altstadt“ gelten durften, für den
Zeithorizont von zwei bis drei Jahren versprochen worden, erinnert Jürgen Stemke. Diese seien nun verstrichen. Für die Errichtung eines „Mobilitätshubs“ aus Parkhaus und Ladestation für Elektrobusse
mit Städtebaufördergeld ist den „Schmiedgässlern“ nun wiederum ein Umsetzungszeitfenster von drei bis fünf Jahren in Aussicht gestellt worden. „Die Idee dafür habe ich damals schon eingebracht“, blickt Ingenieur Stemke zurück. Für die Zukunft der Schmiedgassen stellt Stemke, der mit seiner Bäckerei in der Vorderen Schmiedgasse ansässig ist, überdies drei Forderungen auf: „Eine Fußgängerzone ist eine Fußgängerzone, ohne massiven Kraftverkehr. Die Außengastro muss auf die Sonnenseite. Und die Straße ist an ein funktionierendes, geschütztes Radwegenetz angebunden.“ Also die Terrassen auf die andere Straßenseite verlegen? Aber ihr Aus scheint schon beschlossene Sache zu sein. Eine Anwohnerin ist verblüfft: „Ich hatte den Eindruck, dass die Terrassen immer sehr gut angenommen und genutzt
worden sind.“ Zumal das Pendant in der Hinteren Schmiedgasse, vor der Bäckerei Frey, stehen bleiben soll. „Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes“, sagt ein Gmünder, der nach eigener Auskunft mehrmals in der Woche als Kunde in den Schmiedgassen unterwegs ist. „Ich würde mir wünschen, dass man den Verkehr ganz rausnimmt, wie es in vielen anderen Gassen in Gmünd der Fall ist.
Wenn man schon eine Fußgängerzone daraus machen will, dann bitte richtig.“ Von den Einzelhändlern und Gewerbetreibenden wird es hingegen mehrheitlich begrüßt, dass demnächst mehr Parkplätze für Kunden vor den Ladentüren zur Verfügung stehen sollen. „Das klingt erst mal positiv“, sagt Idris Al-Abyad vom Mineralien-Fachgeschäft „KraftGestein“. Auch den Busverkehr perspektivisch aus den
Schmiedgassen herauszunehmen, hält er für eine gute Idee. „Das ist wirklich ein Störfaktor.“ Aus Sicht von Friseurmeisterin Eva-Maria Hoielen sollte die Stadtverwaltung die Einbahnstraßenregelung am Kalten Markt überdenken, denn weil sie dort nicht in Richtung der Schmiedgassen fahren dürfe, müsse sie tagtäglich einen rund 1,5 Kilometer langen Umweg um die Altstadt in Kauf nehmen. „Das ist zum einen
nicht unbedingt umweltfreundlich, zum anderen nervig“, argumentiert Hoielen.
Der Straßenverkehr sei das Eine – doch bei der Frage, wie in den Schmiedgassen der Grundstein für eine zukunftsfähige Innenstadt gelegt werden könne, gehe es noch um viel mehr, ordnet Andrzej Sielicki,
Co-Sprecher des Gmünder Arbeitskreises Mobilität, ein. „Gefragt ist ein ganzheitliches Konzept, das allen die Mobilität bietet, die sie benötigen“, betont er. Schülerinnen und Schüler gelte es dabei genauso zu berücksichtigen wie junge Menschen ohne Führerschein, Mütter mit Kinderwagen, Reisende mit schwerem Gepäck und mobilitätseingeschränkte Menschen mit Behinderung oder in fortgeschrittenem
Alter. Auch die Belange von blinden und sehbehinderten Menschen müssten bei der Aufwertung des öffentlichen Raums berücksichtigt werden, etwa indem Bordsteine durchgängig abgesenkt oder Bushaltestellen barrierefrei konzipiert würden. Bei der Verbesserung des ÖPNV gibt es laut Sielicki in Gmünd großes Potenzial: „Die Große Kreisstadt Schwäbisch Gmünd verdient einen weiteren Bahnhalt Ost sowie Tangetiallinien zur Verbindung wichtiger tangetialer Ziele außerhalb der Innenstadt, die die Stadtmitte entlasten.“
Die Anfrage der Fraktion söl ließ die Gmünder Stadtverwaltung am Mittwoch bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Einblick in Umfrage erbeten
Anfrage: Die folgenden und drei weitere Fragen hat die Fraktion söl an die Stadt Gmünd gerichtet: Bekommen die Mitglieder des Gemeinderates die Umfrageergebnisse der „Schmiedgässler“, um sich selbst ein Bild von den Rückmeldungen zu machen? Wird das Thema vor dem Rückbau nochmals im
Gemeinderat behandelt? Wie sieht jetzt in Bezug auf die Schmiedgassen das weitere Vorgehen aus und mit welchen Zeitfenstern muss man rechnen? Welche kurzfristigen Maßnahmen sind seitens der Verwaltung
geplant, um die Problemstellung ÖPNV umgehend anzugehen?
Copyright Rems Zeitung, 27.04.2023