Wirbel um 40.000-Euro-Reise des Rats
Aus der Rems Zeitung: Gemeinderat: Eine geplante Reise des Gmünder Gemeinderats entfacht Diskussionen. Das neu gewählte Gremium der Stadt soll eine dreitägige Klausur- und Informationsfahrt nach Brüssel unternehmen. Kosten für die Reise: zwischen 35.000 und 40.000 Euro.
SCHWÄBISCH GMÜND. Den Stein ins Rollen gebracht haben die Fraktionen der Grünen und der s.ö.l. (sozial.ökologisch.links). In einer Anfrage an Oberbürgermeister Richard Arnold zitieren sie aus einem Schreiben des OB, das den Fraktionen und Gruppierungen zugegangen ist. Darin heiße es, dass wichtige Themenschwerpunkte, die derzeit in den Gremien und Verwaltungen der Europäischen Union beraten werden, auch die Kommunen sehr stark betreffen. Dazu gehören die Transformation der Wirtschaft, Themen des Klima-, Natur- und Umweltschutzes und die Flüchtlingspolitik.“ Aus diesem Grund halte Arnold „den Besuch in Brüssel und direkte Gespräche mit den dort Verantwortlichen für sehr wichtig.“ Zu dieser Fahrt soll der gesamte Gemeinderat eingeladen werden.
Laut dem Schreiben der Fraktionsvorsitzenden Sebastian Fritz (s.ö.l.) und Gabriel Baum (Die Grünen) würden die Kosten dafür je nach Teilnehmerzahl zwischen 35.000 und 40.000 Euro liegen. „Angesichts der sehr angespannten Haushaltslage unserer Stadt halten wir diese Ausgabe nicht für vertretbar. Finanzieller Aufwand und möglicher Gewinn dieser Fahrt stehen unseres Erachtens in keinem angemessenen Verhältnis zueinander. Wir erinnern auch daran, dass der Gemeinderat erst im vergangenen Jahr in zweitägiger Klausur in Wangen war, was laut Verwaltung 21.500 Euro kostete“, kritisieren Baum und Fritz.
„Falls die Informations- und Klausurfahrt nach Brüssel dennoch stattfinden sollte, schlagen wir vor, dass dies zumindest nur in sehr kleinem Kreis geschieht und dass sich die Teilnehmenden angemessen an den Kosten beteiligen“, fügen die beiden Stadträte an.
Bei den anderen Fraktionen gibt es gemischte Reaktionen. Weder Die Partei noch die Bürgerliste haben auf die am Mittwochabend gestellte Anfrage reagiert.
Widerspruch kommt von der FDP. „Wir halten die Reise für nicht sinnvoll. Die Terminierung ist für Berufstätige eine Herausforderung; auch sehen wir einen möglichen Nutzen der Reise durchaus kritisch“, schreibt Peter Vatheuer. Kosten und Nutzen der Reise stehen seiner Ansicht nach in
keinem vernünftigen Verhältnis. „Sollte die Reise tatsächlich einen messbaren Mehrwert für die Gremienarbeit bieten, wäre eine Beteiligung einzelner Vertreter unter angemessener Kostenbeteiligung denkbar. Wir sehen in der Reise hingegen keinen wirklichen Mehrwert für die
Gemeinderatstätigkeit“, so Vatheuer.
Ganz andere Töne kommen von der SPD: Man sehe die Reise des Gemeinderates gerade zu Beginn der Wahlperiode positiv, teilt Sigrid Heusel mit. Erstens müsse der neu gewählte Gemeinderat sich für eine gute Zusammenarbeit kennenlernen. Zweitens halte die SPD es für sinnvoll, dass sich die Mandatsträger über für die Stadt wichtige Themen auf europäischer Ebene informieren und mit Verantwortlichen darüber diskutieren können, um sich eine eigene gut fundierte Meinung bilden zu
können. Allerdings erscheinen der SPD die Kosten etwas hoch. „Ablaufdetails der Informationsfahrt kennen wir noch nicht“, wendet Heusel noch ein. Diese werde der
Gemeinderat im September diskutieren und dann auch über mögliche Kosteneinsparungen sprechen. Doch im September ist bislang noch keine Gemeinderatssitzung im Sitzungskalender der Stadt eingetragen. Die erste Sitzung des Gremiums ist, laut Homepage der Stadt für Mittwoch, 2.
Oktober, angesetzt. Laut Einschätzung der SPD wäre es nicht sinnvoll, dass nur wenige Mitglieder
zur Fahrt eingeladen werden. Eine Beteiligung an den Kosten sieht Heusel problematisch: „Wir halten es grundsätzlich für sinnvoll, die Kosten einer Klausur möglichst gering zu halten. Gemeinderäte erfüllen ihr Mandat ehrenamtlich und daher sollte die jeweils persönliche finanzielle Belastbarkeit nicht ausschlaggebend für die Teilnahme an einer politischen Informationsfahrt sein.“
Unterstützung findet sie bei der CDU, für die David Sopp geantwortet hat: „Eine Klausurtagung des Gemeinderats, insbesondere zu Beginn einer Amtsperiode, ist äußerst sinnvoll. Dadurch würde das Miteinander gefördert und eine gemeinsame Basis für eine positive überfraktionelle Zusammenarbeit gelegt. Dies war in den vergangenen Jahren stets guter Brauch.“ Die veranschlagten Kosten habe man bisher nicht in der Fraktion diskutiert, da die Planung für die Ausfahrt erst am Anfang stand und die Kosten noch nicht kommuniziert waren. Nach Meinung der
CDU ist es absolut sinnvoll, dass der gesamte Gemeinderat an einer Klausurtagung teilnimmt. Das Ziel müsse sein, neben den wichtigen Themen auch den Zusammenhalt und den Austausch zwischen allen Gemeinderäten zu stärken.
Für die AfD hat sich Andreas Wörner telefonisch gemeldet. Er könne die Frage, ob die Reise in dieser Form sinnvoll sei, noch nicht abschließend beantworten „Das kommt auf die Inhalte an“, so der Ratsneuling. Natürlich sei es wichtig, sich über Themen wie Transformation, die Umwelt und Klimapolitik oder die Flüchtlingspolitik zu informieren. Auch der Nebeneffekt, dass man sich auf einer solchen Reihe besser kennen lerne und miteinander ins Gespräch komme, sei positiv zu bewerten. Zur Anzahl der Teilnehmenden merkt er an, dass „normalerweise eine Besprechung
effektiver ist, je weniger Teilnehmer es gibt.“ Andererseits werde ja auf dieser Fahrt nichts beschlossen. Zu einer möglichen Kostenbeteiligung erklärt er: „Wenn ich für die Firma unterwegs bin, zahle ich auch nichts zu.“ Allerdings könne es sich eine Beteiligung von 100 bis 200 Euro
durchaus vorstellen. Er hat noch einen weiteren Vorschlag: „Wir könnten ja finanziell den CO2
-Abdruck, den wir mit dieser Reise hinterlassen, ausgleichen.“
Baum merkt noch an, „dass viele Vorgaben und Entscheidungen, die uns auf kommunaler Ebene betreffen, werden auf europäischer Ebene zugrunde gelegt. So wird „Brüssel“ immer wieder zum Buhmann der Politik. Daher ist eine direkte Auseinandersetzung zu diesen Punkten mit Verantwortlichen europäischer Politik sinnvoll. Dies kann auch durch eine angemessene
Arbeitsreise nach Brüssel geschehen.“
Die Stadtverwaltung hat auf die Kritik reagiert: „In den letzten Tagen gab es Diskussionen um die Informations- und Klausurfahrt des Gemeinderates nach Brüssel. Die Verwaltung ist der Auffassung, dass wir mit einer Klausurtagung in die neue Wahlperiode starten sollten. Jedoch sollten wir nicht im Konflikt über den Ort starten. Deshalb schlagen wir den Fraktionen vor,
den Termin im Oktober weiterhin freizuhalten. Im September wollen wir mit den Fraktionen das Programm und den Ort festlegen“, heißt es auf Nachfrage der RZ.
Copyright Rems Zeitung, 09.08.2024